Der Brief an die Galater
I. Zeit und Ort der Abfassung II. Adressaten und briefliche Situation III. Zur theologischen Argumentation
I. Zeit und Ort der Abfassung
Der chronologisch einzige verwertbare Hinweis für die Abfassung des Galaterbriefes ist die Notiz zur Kollektenvereinbarung auf dem Apostelkonzil (2,10). Da die Kollekte im Gal keine Bedeutung mehr hat, scheint sie bereits abgeschlossen zu sein. Damit ist der Gal wohl nach dem 1Kor abgefasst, dem zufolge die Kollekte in Galatien wohl noch im Gang ist (16,1). Wie groß der Abstand zum 1Kor ist, lässt sich allerdings nicht bestimmen. Inhaltliche Überlegungen weisen freilich darauf hin, dass der Gal vor dem Röm entstanden sein muss. So ist eine Datierung auf den Zeitraum 54-56 sinnvoll. Rückt man den Brief in die Nähe des 1Kor, so wird man als Abfassungsort auch Ephesus annehmen können. Möglich wäre aber auch, dass der Brief auf der Reise von Ephesus nach Makedonien entstanden ist.nach oben
II. Adressaten und briefliche Situation
Es ist aus heutiger Sicht strittig, wen Paulus mit den »Gemeinden der Galatia« angesprochen hat. Die Forschung diskutiert zwei unterschiedliche Positionen:
- Die Landschafts- oder nordgalatische These geht davon aus, dass Galatien auf die im Norden der Provinz gelegene Landschaft Galatien zu beziehen sei.
- Nach der Provinz- oder südgalatischen These hingegen wird die Bezeichnung für die gesamte Provinz Galatien verwendet und somit seien auch die Landschaften Pisidien, Lykaonien und Isaurien einzuschließen.
Der Brief gibt keine Hinweise in der Frage, wann die Gemeinde gegründet wurde. Sicher ist, dass die Gemeinde heidenchristlich geprägt ist. Das wird aus dem Anlass des Schreibens überdeutlich: In der Gemeinde sind judenchristliche Missionare tätig geworden, die die Galater auf die Tora verpflichten wollten und wahrscheinlich die apostolische Autorität des Paulus angezweifelt haben. Paulus hat von den Entwicklungen erfahren und schreibt einen Brief, der polemische Passagen enthält, aber auch theologisch argumentiert.nach oben
III. Zur theologischen Argumentation
Die Konfrontation mit den Judenchristen veranlasst Paulus zur Formulierung der Rechtfertigungstheologie. Die Forderung, die Heidenchristen müssten sich beschneiden lassen und die Gebote der Mose-Tora befolgen, um das Heil Gottes zu erlangen, lehnt Paulus ab. »Der Mensch wird nicht gerechtfertigt aus Werken des Gesetzes, sondern durch Glauben an Jesus Christus« (2,16). Tod und Auferstehung Christi sind nach Paulus zum Heil aller Menschen geschehen. Eine Verpflichtung auf die Tora würde diese Heilsvorstellung zunichte machen: Da die Tora allein den Juden gegeben ist, wären die Heiden als Heiden vom Heil ausgeschlossen; es würde eine zusätzliche Bedingung für die Rettung erhoben, »Christus wäre umsonst gestorben« (2,21).
Im Galaterbrief spricht Paulus vom Gesetz rundum negativ – wahrscheinlich aufgrund der polemischen Situation. Im Römerbrief finden sich theologische Versuche, das Gesetz wieder in ein etwas positiveres Licht zu rücken. Ob er dort zu einer ausgeglicheneren Position findet, ist allerdings umstritten.