Bibelstudium
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Der zweite Petrusbrief

I. Verfasserfrage   II. Adressaten   III. Zeit und Ort der Abfassung   IV. Theologische Grundlinien

I. Verfasserfrage

Zweifel an der Verfasserschaft des Petrus reichen bis in die Alte Kirche zurück. Sie gründen in der sprachlichen Qualität des Briefes, die auf einen gebildeten muttersprachlichen Verfasser weist und einem Fischer vom See Gennesaret kaum zuzutrauen ist. Außerdem ist der Brief literarisch abhängig vom Judasbrief, und das müsste gerade angesichts der Augenzeugenschaft, die für das Wirken Jesu beansprucht wird (1,16), bei einem Autor Petrus überraschen. Der Verweis auf den pseudepigraphischen 1. Petrusbrief (2Petr 3,1) bekräftigt den pseudepigraphischen Charakter des 2Petr. Außerdem wird in 3,4 deutlich, dass der Brief nach dem Tod des Petrus verfasst worden sein muss – die erste Generation der Christen ist schon gestorben.nach oben

II. Adressaten

Die Adresse ist weit formuliert (»an die, die einen gleich kostbaren Glauben empfangen haben«), weshalb das Schreiben unter die »katholischen Briefe« eingeordnet ist. Der Verfasser hielt möglicherweise das behandelte Problem (Zweifel an der Wiederkunft Christi, s.u. IV.) für verbreitet und zielte auf eine Rezeption nicht nur in einem angebbaren begrenzten Raum. Dennoch gibt es besondere Verbindungen zu Kleinasien, da das Schreiben mit dem 1Petr verknüpft wird (»der zweite Brief«: 3,1) und also dieselben Adressaten im Blick hat. Dass auf eine Paulusbriefsammlung Bezug genomen wird (3,15f), fügt sich zu dieser Lokalisierung. Dann wäre in erster Linie an Heidenchristen zu denken. Dazu passt zudem die Warnung vor Parusiespöttern, die möglicherweise mit einer epikureisch begründeten Skepsis zusammenhängt (Ingo Broer; zum Epikureismus s. hier).nach oben

III. Zeit und Ort der Abfassung

Die erste christliche Generation gehört bereits der Vergangenheit an (»seitdem die Väter entschlafen sind«). Die Erwähnung des 1Petr (s. hier zur Datierung) weist darauf, dass der 2Petr kaum vor der Jahrhundertwende entstanden ist. In dieselbe Richtung deutet der Bezug auf eine Sammlung von Paulusbriefen (3,15) sowie die Abhängigkeit vom Judasbrief. Eine Obergrenze dürfte durch die Benutzung des 2Petr in der Petrus-Apokalypse gegeben sein, die auf die Mitte der 130er Jahre datiert wird. Da man für die Verbreitung der jeweiligen Schriften einige Zeit veranschlagen muss, ist der 2Petr am besten in den Beginn der zwanziger Jahre des 2. Jahrhunderts zu datieren.

Zur Frage der Lokalisierung werden verschiedene Antworten vorgeschlagen: Rom (wegen der Zuschreibung an Petrus), Ägypten bzw. Alexandrien (wegen der Rezeption durch die dort entstandene Petrus-Apokalypse), Kleinasien (wegen des Bezugs auf den 1Petr und die Paulusbriefsammlung). Eine sichere Entscheidung ist kaum möglich.nach oben

IV. Theologische Grundlinien

Hauptthema des Briefes ist das Festhalten an der Parusieerwartung*. Dies wird aber nicht allein grundsätzlich-theologisch entfaltet, sondern in Abwehr von Lehren, gegen deren Träger der Brief polemisiert. Was auf der Textebene als Zukunftsschau erscheint, bestimmt die Gegenwart des Autors: »In den letzten Tagen werden Spötter mit Spötterei kommen, die nach ihren eigenen Begierden wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an.« (3,3f) Deutlich wird also das Problem der Parusieverzögerung. Die Erwartung der Wiederkunft Christi - in der ersten Generation noch auf die unmittelbare Zukunft gerichtet - geriet mit der Zeit in die Krise.

Der Verfasser des 2Petr setzt den Gedanken der Langmut Gottes dagegen: Durch das Weiterlaufen der Zeit gibt Gott Gelegenheit zur Umkehr (3,9). Außerdem ist das andere Zeitmaß Gottes zu bedenken: »beim Herrn ist ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag« (3,8). Deshalb darf man sich durch die Fortdauer der bestehenden Welt nicht irre machen lassen. Der Tag des Herrn wird überraschend kommen (»wie ein Dieb in der Nacht«), und diese Welt wird untergehen und einem neuen Himmel und einer neuen Erde weichen (3,10-13). Als Vorbild dient die alte Welt, die in der Sintflut unterging (3,5f). Wie sie durch Wasser vernichtet wurde, so die jetzige Welt durch Feuer (3,7).

Daraus ergibt sich die Forderung eines »heiligen Wandels«, dem auch eine Funktion für das Kommen des Endes zugeschrieben wird: Er beschleunigt das Kommen des Tages Gottes (3,11).

Damit wird zugleich ein Gegenprogramm zu den Falschlehrern präsentiert. Diese erscheinen als Vertreter eines libertinistischen Ethos: Sie sind gekennzeichnet durch »fleischliche Begierden«, »Ausschweifungen«, »Schwelgerei bei Tage«, »Befleckungen der Welt«, haben »Augen voll Begierde nach der Ehebrecherin«, sind »wie unvernünftige Tiere, von Natur aus zum Eingefangenwerden und Verderben geschaffen«, »Kinder des Fluches«, »Sklaven des Verderbens« (vgl. 2,10-22). Noch ehe gesagt wird, was die »falschen Propheten« und »falschen Lehrer« (2,1) an falscher Lehre vertreten, werden sie ethisch abqualifiziert und in ihrer Gefährlichkeit für die Glaubenden profiliert. Die Polemik wird als Mittel der Abschreckung eingesetzt.

Deshalb ist es schwer, ein historisch zutreffendes Bild der Gegner zu gewinnen. Da sie offensichtlich die »Freiheit« betont haben (2,19) und ihnen eine Fehldeutung der Paulusbriefe vorgeworfen wird (3,16), könnten sie sich auch auf Paulus berufen haben, der im Zusammenhang der Debatten um die Mose-Tora die Freiheit in Christus betont hat (s. v.a. im Galaterbrief). Die Zuordnung der Gegner zur Gnosis hat in letzter Zeit an Boden verloren. Einen ethischen Laxismus kann man ihnen nicht zuschreiben, da die entsprechenden Passagen offensichtlich polemische Funktion haben.

Literarisch wird die Bedeutung der Mahnungen und Warnungen des »Petrus« dadurch unterstrichen, dass sie als Testament gestaltet sind (1,14: »das Ablegen meines Zeltes geschieht bald«). Die letzten Worte, so der Anspruch, bringen das für die Zukunft Wichtige zur Sprache. Auch die Erinnerung an die Augenzeugenschaft des Wirkens Jesu und der Offenbarung von dessen Würde (1,16-19) dient diesem Anliegen der Vergewisserung: Wer die Worte des Apostels beachtet, baut auf sicherem Grund.


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