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Der erste Petrusbrief

I. Verfasser   II. Adressaten   III. Zeit und Ort der Abfassung   IV. Theologische Grundlinien

I. Verfasser

Auch wenn der 1Petr im Präskript den Anspruch erhebt, ein Schreiben des Apostels Petrus zu sein, gibt es gute Gründe an dieser Zuschreibung zu zweifeln. Insbesondere die sprachliche Qualität weist darauf hin, dass Griechisch die Muttersprache des Verfassers gewesen sein muss. Zudem lässt der Inhalt auf eine spätere Zeit schließen – der Autor nennt sich etwa »Mitpresbyter« und bezeugt damit Gemeindestrukturen, die erst Ende des 1. Jahrhunderts aktuell sind. Zudem ist die Ausbreitung des Christentums in Kleinasien vorausgesetzt, die aber zu Lebzeiten des Petrus erst am Entstehen war.nach oben

II. Adressaten

Der Brief richtet sich an die Auserwählten in der Diaspora (1,1), was schließlich präzisiert wird auf die römischen Provinzen im Raum Kleinasiens.

Die Gemeinden setzen sich hauptsächlich aus ehemaligen Heiden zusammen. Darauf weist vor allem die Intention des Schreibens, die Adressaten in ihrer als Anfechtung erfahrenen Minderheitensituation zu bestärken. Offensichtlich haben die Empfänger des Schreibens unter verschiedenen Bedrängnissen zu leiden, die in erster Linie durch ihre Existenz in einer fremd gewordenen Mehrheitsgesellschaft verursacht sind. Gerade für Heidenchristen war dies eine neue, verunsichernde Erfahrung. Judenchristen sind in der hellenistischen Welt mit der Minderheitensituation vertraut; auch dürfte es in ihrem Fall kaum Reaktionen von Seiten der heidnischen Zeitgenossen auf ihre Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde gegeben haben, da sie schon immer als Außenseiter wahrgenommen wurden (Marlis Gielen). 

Was die Struktur der Gemeinden betrifft, so spiegelt der Brief die Bedeutung des Presbyteramtes (5,1-4), jedoch spielen auch die Charismen weiterhin eine besondere Rolle (4,10f).nach oben

III. Zeit und Ort der Abfassung

Im Polykarpbrief (etwa 130-140) scheint der 1Petr rezipiert zu sein (z.B. PolPhil 1,3; 2,1f). Auch 2Petr 3,1 wird häufig als Bezug auf den 1Petr gelesen (»ich schreibe einen zweiten Brief«). Dann müsste um 130 der 1Petr bereits bekannt gewesen sein. Die Abfassung um die Jahrhundertwende bzw. am Beginn des 2. Jahrhunderts würde damit harmonieren, selbstverständlich auch ein früheres Datum. Der erkennbare Verfolgungsdruck passt in die Regierungszeit Trajans (98-117), aus der mit dem Briefwechsel zwischen Plinius und dem Kaiser ein Zeugnis über die ungesicherte rechtliche Situation der Christen in Kleinasien überliefert ist (Plinius, Ep. X 96). Auch die zweite Hälfte der Regierungszeit Domitians (81-96) könnte dem Bild von der Situation der Briefadressaten entsprechen. Die Zeitspanne zwischen 90 und dem Beginn des 2. Jh. kommt grundsätzlich als Abfassungszeitraum in Frage.

Der Brief ist nach 5,13 in Babylon verfasst worden – ein Deckname für Rom (s.a. Offb 17,9). Diese Angabe kann aber wie diejenige des Verfassers fiktiv sein und sich der Verbindung der Petrus-Tradition mit Rom verdanken. Die Vertrautheit des Autors mit der Situation der Adressaten, die ja eindeutig im kleinasiatischen Raum angesiedelt sind, spricht eher dafür, dass der Brief in Kleinasien entstanden ist. Darauf weist auch die früheste Rezeption.nach oben

IV. Theologische Grundlinien

Der Verfasser des 1Petr greift in hohem Maß auf Traditionen zurück. Eine große Rolle spielen alttestamentliche Zitate und Anspielungen, die z.T. bereits durch ihre Verwendung in der urchristlichen Tradition vermittelt sind. Besonders auffällig ist die Nähe zur paulinisch geprägten Überlieferung, nicht nur im Blick auf Briefformalia (v.a. 1,1f; 5,12-14), sondern auch inhaltlich: Die für Paulus so kennzeichnende »in-Christus-Formel« begegnet auch im 1Petr (3,16; 5,10.14), ebenso theologische Begriffe wie Gnade, Freiheit, Erwählung, Charisma; der Gedanke, dass die Glaubenden im Leiden Anteil am Leiden Christi erhalten, erinnert gleichfalls an Paulus. Dennoch gibt es auch Unterschiede: Im Zusammenhang der Leidensthematik fehlt der Bezug auf das »Kreuz«, die für Paulus typischen »mit-Aussagen« begegnen im 1Petr nicht, ebenso andere wichtige theologische Begriffe (z.B. Fleisch, Ekklesia [Gemeinde]). »Man muß zweifellos von einer beachtlichen Reminiszenz, kann aber nicht von Dominanz und Ausschließlichkeit des Paulinismus im 1Petr sprechen« (Norbert Brox).

Die Situation der Adressaten als bedrängte Minderheit (s.o. II.) bearbeitet der 1Petr auf zweifache Weise: Einerseits rückt er die heidnische Vergangenheit in ein negatives Licht (1,14.18; 2,1.11; 4,2). Die Glaubenden haben sich von den früheren Begierden gelöst. Wer wegen der Bedrängnis durch die heidnische Umwelt den Glauben aufgibt, macht also den Existenzwechsel rückgängig, der durch das Gläubigwerden vollzogen wurde (2,9: »aus der Dunkelheit in sein wunderbares Licht«). Andererseits, und viel stärker profiliert, wird den Adressaten positiv vor Augen gestellt, wer sie sind und worauf sie zugehen. Sie sind Erwählte (bereits in der Adresse: 1,1; 2,9), Ehrentitel Israels sind auf sie übertragen (2,9f), das Heil liegt als »reines und unverwelkliches Erbe« im Himmel für sie bereit (1,3-9).

Den Glaubenden ist es möglich, die Bedrängnis im Blick auf das Beispiel Christi zu bewältigen. Die Erinnerung an die Passion Christi kann auf das Moment des Vorbildhaften zielen: Auch Christus musste leiden, so dass die gegenwärtige Not als Nachfolge Christi erfahren werden kann: 2,21-23; 4,1. Daneben aber betont der 1Petr auch die Wirkung des Leidens Christi für die Glaubenden: die Eröffnung von Heil durch Jesu Tod (1,18f; 2,24f; 3,18). Sofern das Leiden aus dem Bekenntnis zu Christus resultiert und nicht Strafe für Verfehlungen ist (2,19f im Rahmen der Sklaven-Paränese*), kann es in die christliche Existenz integriert werden.

Eine vorbildliche Lebensführung hat missionarische Bedeutung (3,1f; auch 3,16). Der Verfasser des 1Petr betont zwar den Graben, der das Leben der Glaubenden von ihrer Herkunft (und also auch von ihrer heidnischen Umwelt) trennt. Er will aber keineswegs, dass die Kommunikation abreißt und die Gemeinde sich von der Umwelt abschließt. Er setzt auf die positiven Wirkungen eines vorbildlichen Lebens aus dem Glauben gerade im Blick auf die Anfeindungen, unter denen die Glaubenden zu leiden haben. »Seid stets bereit zur Antwort jedem gegenüber, der von euch Rechenschaft verlangt über die Hoffnung, die in euch ist« (3,15).

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