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Begriff und Grundgedanken

I. Zum Begriff      II. Grundgedanken der Apokalyptik

I. Zum Begriff

Der Begriff »Apokalyptik« dient zur Bezeichnung einer religiösen Strömung im Judentum, nachweisbar etwa für die Zeit zwischen 250 v. und 250 n.Chr. Sie berief sich auf besondere Offenbarungen, durch die man Kenntnis vom nahe bevorstehenden Weltende erlangte.

II. Grundgedanken der Apokalyptik

Die zwei Äonen

Apokalyptisches Denken ist grundsätzlich endzeitlich bestimmt, bricht aber mit der heilsgeschichtlichen Vergangenheit: keine Anknüpfung an Größen wie dem Bund, dem idealen König oder dem Exodus, um die Hoffnung auf Heil zu begründen.

Gegenüberstellung der zwei Äonen (=Welt, Weltzeit). Die bestehende Welt (»dieser Äon«) ist von den Mächten des Bösen beherrscht und wird einer neuen Welt (dem »kommenden Äon«) weichen.

Die »endzeitlichen Wehen«

Den Ablauf der Endereignisse schildern die Apokalyptiker als Zeit zunehmender Katastrophen, verstanden als die »Wehen«, in denen sich die »Geburt« der neuen Welt ankündigt.

Hinter dem Konzept der endzeitlichen Wehen lässt sich ein grundsätzlicher theologischer Gedanke entdecken: Erlösung kommt nicht aus der menschlichen Geschichte, sondern ist allein von Gott gewirkt.nach oben

Die Naherwartung

Diese zeitliche Perspektive kann bisweilen etwas undeutlich bleiben, gewöhnlich ist sie klar erkennbar (z.B. Dan 11,21-12,4; äthHen 93,9f).

Auferstehung der Toten zu Heil und Gericht

Die Vorstellung von der Totenauferstehung wurde erweitert: Zunächst dachte man nur an die Auferstehung der Gerechten, die am ewigen Heil Anteil erlangen sollten; zum universal ergehenden Gericht werden aber alle Menschen auferweckt, um sich vor Gott als dem Richter zu verantworten und den endgültigen Richtspruch zu erfahren.

Mit der Ausweitung auf alle Menschen geht auch eine Individualisierung des Gerichtsgedanken einher: Jeder Einzelne muss sich vor Gott verantworten, die Größe »Israel« trägt nicht mehr (z.B. äthHen 103,2-4; 104,1f).nach oben

Engel und Dämonen

Völkerengel gelten als Gegenstück zu irdischen Herrschern und Machthabern. Der Geschichtsverlauf auf Erden steht in Zusammenhang mit einem unsichtbaren himmlischen Geschehen, das den Abläufen auf der Erde vorausgeht und diese bestimmt.

Eine weitere Funktion der Engel ist Stärkung und Schutz der Gerechten (äthHen 100,5), dann auch Fürbitte für die Gerechten (äthHen 47,2; TestLevi 5,6f; TestDan 6,2) und Deutung der von den Sehern geschauten Ereignisse sowie Begleitung und Führung bei »Himmelsreisen«.

Böse Geister und gottfeindliche Engel gelten als Nachkommen der Göttersöhne aus Gen 6,1-4. Im Rahmen des monotheistischen Gottesbekenntnisses können sie kein gleichrangiges böses Prinzip darstellen: Sie agieren unter der Maßgabe von Gottes Geschichtsplan.

Die starke Ausprägung der Engelvorstellung in der Apokalyptik gründet wohl in der Betonung der Transzendenz Gottes. So wurden Mittlerwesen zwischen der göttlichen und menschlichen Welt wichtig.nach oben

Der Menschensohn

In Dan 7, dem literarisch ältesten Beleg, steht der in der Vision erscheinende Menschensohn für das Volk Israel. Das Augenmerk liegt auf dem Empfang der Herrschaft, nicht auf richterlichen Funktionen.

Dagegen erscheint der Menschensohn in äthHen 46,1-48,7 als eine himmlische Gestalt, die schließlich als endzeitlicher Richter und Retter fungiert. Diese Gestalt kann aber auch mehr irdische Züge gewinnen und mit dem Messias identifiziert werden (48,10).

Determinismus und Geschichtsverlust?

In Apokalypsen kann der Gedanke der Vorherbestimmung jeglichen Geschehens durch Gott stark betont sein. Deshalb wird nicht selten geurteilt, die Geschichte und das menschliche Handeln in ihr habe nach der apokalyptischen Weltsicht keine wirkliche Bedeutung.

Aber: es gibt auch Verbindungen zwischen altem und neuem Äon. Denn der Zugang zum neuen Äon hängt ab von der Bewährung in der Geschichte vor dem Ende. Die Verantwortung des Menschen wird nicht negiert, von der Vorherbestimmung des Einzelnen für Heil oder Unheil ist nirgends die Rede. Die Apokalyptik stellt Gottes Plan und menschliche Eigenmächtigkeit nebeneinander.


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