Bibelstudium
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Die Pharisäer

I. Ursprung und Quellen    II. Name, Zusammensetzung, Lebensweise   

III. Die Tora als Zentrum pharisäischer Frömmigkeit 

IV. Göttliche Vergeltung und Barmherzigkeit    V. Endzeiterwartungen

I. Ursprung und Quellen

Häufig wird der Ursprung der Pharisäer in der Bewegung der Chassidim gesehen, die vor allem im Gefolge der Einsetzung Jonathans ins Hohepriesteramt in zwei Gruppen zerfallen sei: Pharisäer und Essener. Wirklich belegen lässt sich diese Rekonstruktion aus den Quellen nicht. Die Vorgeschichte der Pharisäer bleibt im Dunkeln.

Als Quellen kommen Josephus, Neues Testament und rabbinische Literatur in Frage. Jeder Strang hat seine eigene Problematik:

  • Die rabbinische Literatur ist nicht einfach Fortsetzung spezifisch und exklusiv pharisäischer Traditionen. Außerdem bestehen Probleme bei der Datierung rabbinischer Überlieferungen. Dennoch ist auch diese Linie auswertbar,
    • wenn sich inhaltliche Übereinstimmungen in religiösen Überzeugungen mit den beiden anderen Quellensträngen ergeben;
    • wenn man das Bild von der Bedeutung der Pharisäer als wichtigster jüdischer Gruppe am Ende des 1. Jh., das sich aus dem NT und Josephus ergibt, historisch ernst nimmt.
  • Im NT werden die Pharisäer im Wesentlichen als gegnerische Gruppe dargestellt, so dass bei der Auswertung Vorsicht geboten ist.
  • Auch Josephus ist nicht frei von Tendenzen, wenn auch eher in umgekehrter Richtung. Er empfiehlt die Pharisäer als wichtigste Repräsentanten des Judentums.nach oben

II. Name, Zusammensetzung, Lebensweise

Der Name ist vom hebräischen peruschim herzuleiten und bedeutet: »Losgetrennte«. Er ist den Pharisäern wohl von Außenstehenden gegeben worden und bezieht sich auf den Grundzug dieser Gruppe: die Absonderung von allen kultisch Unreinen.

Die Pharisäer waren vor allem eine Laienbewegung, die den größten Teil der Schriftgelehrten umfasste. Trotz geringer Mitgliederzahl (Ant. XVII 2,4: 6000) hatten sie Josephus zufolge enormen Einfluss. Das NT bestätigt diesen Eindruck.

Wenn Josephus von den Pharisäern sagt, dass sie »enthaltsam leben und keinen Luxus kennen« (Ant. XVIII 12/1,3), verbirgt sich dahinter wohl die Einschätzung, dass die Pharisäer ihren Gesetzesgehorsam im praktischen Leben ernst genommen haben (s.a. Lk 18,12; Mt 23,3f ist dagegen polemisch).nach oben

III. Die Tora als Zentrum pharisäischer Frömmigkeit

Im Mittelpunkt der pharisäischen Frömmigkeit steht die Tora. Bei Josephus und in der Apg wird den Pharisäern eine besonders genaue Gesetzesauslegung zugeschrieben. Dies bedeutet aber nicht, dass sie die strengsten Ausleger gewesen wären; die Pharisäer waren vielmehr vergleichsweise liberal:

  • Der rabbinische Grundsatz »Macht einen Zaun um die Tora!«  soll die Tora vor Übertretungen schützen, indem sie praktikabel gemacht wird. Sie sollte mit den Erfordernissen des täglichen Lebens in Einklang gebracht werden, um so ein Leben nach der Tora zu ermöglichen (z.B.: Lebensgefahr verdrängt den Sabbat).
  • Matthäus bestätigt in 12,10f das Bild einer vergleichsweise liberalen Gesetzesauslegung bei den Pharisäern.

Diese Haltung ist aber kein Hinweis darauf, dass es den Pharisäern nicht ernst gewesen wäre mit dem Gesetzesgehorsam. Sie haben sich freiwillig an die priesterlichen Reinheitsgebote gehalten und Fasttage und Verzehntungsvorschriften eingehalten, zu denen sie nicht verpflichtet waren (Lk 18,12).

Neben den fünf Büchern Mose haben die Pharisäer auch die Überlieferungen der Väter anerkannt. Inhaltlich dürfte es dabei um die oben genannten Fragen der Reinheit und um Verzehntungsvorschriften gegangen sein (s. Mk 7; Mt 23).

Dass es kein von oben geregeltes Verständnis des Gesetzes gab, dürfte nicht erst für die Rabbinen zutreffen. Vielleicht kann man in der Aussage des Josephus, die Vernunft habe bei den Pharisäern eine herausragende Bedeutung (Ant. XVIII 12/1,3), einen Verweis auf die Diskussion um das rechte Verständnis des Gesetzes sehen. nach oben

IV. Göttliche Vergeltung und Barmherzigkeit

Häufig wird die Position der Rabbinen (und der Pharisäer) so bestimmt: Der Mensch schafft sich durch Gesetzeserfüllungen ein positives Konto, durch -übertretungen ein negatives. Gott vergleicht beide Werte im Gericht und fällt das Urteil nach dem Ergebnis dieses Vergleichs (ewiges Heil/ewige Verdammnis). Daraus konnte ein starkes religiöses Selbstvertrauen erwachsen: Wer das Gesetz erfüllt, erwirbt sich ein Anrecht auf das Heil, verdient sich die Gnade Gottes.

Aber: Diese Rekonstruktion beruht auf einem Missverständnis (E.P. Sanders): Einzelne Äußerungen, die eine mahnende Absicht haben, wurden als systematische Lehre ausgegeben. Unter diesem Aspekt sind die Aussagen in der rabbinischen Literatur widersprüchlich. Die Widersprüche lösen sich auf, wenn man die Funktion der verschiedenen Aussprüche bedenkt:

  • Es wird zum bestmöglichen Gesetzesgehorsam gemahnt, indem seine Bedeutung für die künftige Welt herausgestellt wird.
  • Die Hinweise auf göttliche Vergeltung sollen sicherstellen, dass Gott nicht willkürlich handelt.

Zur Frage der göttlichen Barmherzigkeit lässt sich für die Pharisäer möglicherweise keine gruppenspezifische Überzeugung erarbeiten. Die Frommen, die ihr Leben am Willen Gottes ausrichten, dürfen auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen, die Frevler nicht. Diese Überzeugung ist von den atl Wurzeln her mit der Gesetzesfrömmigkeit verbunden.nach oben

V. Endzeiterwartungen

Die Pharisäer haben die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten geteilt (Apg 23,8; Josephus mutet seinen Lesern die für sie schwer verständliche Vorstellung einer leiblichen Auferstehung zu).

Das gewaltsame Herbeidrängen der Gottesherrschaft haben die Pharisäer abgelehnt, vielleicht auch die Berechnung des Endtermins (ausdrücklich erst in rabbinischen Überlieferungen).


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