Bibelstudium
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4.4 Zum Verständnis der Glaubensformel

Struktur

In der ersten Zeile (a, a) geht es jeweils um ein Ereignis, das in der zweiten (b, b) als schriftgemäß bezeichnet wird, ehe die dritte Aussage (c, c) die erste bestätigt.

► Die verschiedenen Zeilen haben also nicht dasselbe Gewicht. Im Zentrum der Formel stehen Tod und Auferweckung Jesu. Der Tod wird bekräftigt durch den Hinweis auf das Begräbnis: Jesus ist wirklich gestorben; die Erscheinungen unter­streichen die Wirklichkeit der Auferweckung. Der parallele Aufbau macht die Zusammengehörigkeit von Tod und Auferweckung deutlich.

»Gestorben für unsere Sünden«

Die Deutung des Todes Jesu als für unsere Sünden geschehener Tod kann vom Horizont der Auferweckung aus erfolgen. Auf der anderen Seite wäre ohne den Blick auf das Kreuz die Auferstehung nicht recht verstanden (zum Sinn dieser Formel s. »Die Passionserzählung des Markusevangeliums«, 3.3). nach oben

»Gemäß den Schriften«

Der Hinweis auf die Schriftgemäßheit ist jeweils auf die ganze Aussage zu beziehen. Gedeutet wird das »Sterben für unsere Sünden« und die »Auferweckung am dritten Tag«

  • Anders deutet Jürgen Roloff: Die beiden Heilsereignisse (Tod und Auferweckung) werden ihm zufolge mit zwei Interpretamenten versehen, »für unsere Sünden« und »gemäß den Schriften« bzw. »am dritten Tag« und »gemäß den Schriften«. Nur Tod und Auferweckung sollen demnach als schriftgemäß dargestellt werden.

    Gegen diese Aufteilung spricht die Struktur, die sich durch die Wiederholung von »gemäß den Schriften« ergibt. Sie legt nicht nahe, »für unsere Sünden« und »am dritten Tag« als Interpretament abzutrennen von der Notiz von Tod und Auferweckung Christi.

Der Schriftbezug ordnet den Tod für unsere Sünden und die Auferweckung am dritten Tag in die Heilsgeschichte ein und soll zeigen, dass sich in diesem Geschehen die Verheißungen Gottes erfüllen. Ein Bezug auf bestimmte Schriftstellen ist aber nicht ohne weiteres zu erkennen.

  • Im Hintergrund der Vorstellung vom Sühnetod Jesu dürfte vor allem Jes 53 (der leidende Gottesknecht) stehen. Von ihm heißt es, er sei »zerschlagen um unserer Sünden willen« (Jes 53,5). Mit der LXX ergibt sich keine wörtliche Übereinstimmung, doch schließt das den Bezug auf die Prophetenstelle nicht aus. Es bleibt allerdings bei der zurückhaltenden Anspielung; deutlich wachgerufen wird der Text nicht, wie schon zur Abendmahlsüberlieferung zu beobachten war (s. »Die Passionserzählung des Markusevangeliums«, 3.3; zum Sinn der Sühnevorstellung s. hier).
  • Für die Erklärung der Zeitangabe der Auferweckung »am dritten Tag« werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen.
    • Man könnte an eine Anspielung auf Hos 6,2 denken. Dort ist vom rettenden Eingreifen Jahwes für Israel »am dritten Tag« die Rede: »Er wird uns nach zwei Tagen neu beleben, am dritten Tag uns aufrichten.« In der LXX ist an dieser Stelle ein Wort verwendet, das im Neuen Testament auch für Jesu Auferstehung gebraucht werden kann – allerdings gerade nicht in 1Kor 15,4 (ανίστημι/anhistemi, nicht ἐγείρω/egeiro).
    • Es gibt zudem weitere mögliche Bezugspunkte: Jon 2,1 (Jona drei Tage im Bauch des Fisches); Ex 19,11.16 (Erscheinung JHWHs auf dem Sinai am dritten Tag); 2Kön 20,5 (Verheißung der Heilung Hiskias am dritten Tag).

      So liegt wahrscheinlich gar kein Bezug auf eine bestimmte Textstelle vor, sondern auf die mehrfach belegte Vorstellung vom rettenden Handeln Gottes »am dritten Tag«. Damit ist auch klar: Es geht nicht um die Angabe eines exakten Zeitpunktes. Vielmehr wird die Rückführung des Geschehens auf Gott und seinen Willen durch diesen traditionellen Topos verstärkt.

»Für den frühen Schriftbeweis ist es charakteristisch, daß er nicht ausdrückliche Zitate gibt, sondern sich mit allgemeinen Andeutungen begnügt« (H. Conzelmann).

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»Auferweckt«

Die Verbform, die oben wiedergegeben wurde mit »er ist auferweckt worden« (ἐγήγερται/egegertai), ließe sich auch übersetzen: »Er ist auferstanden.« Dennoch ist die passivische Formulierung, die auf ein Handeln Gottes verweist (passivum divinum), vorzuziehen, denn: 

  • Zum einen sind die frühen Glaubensformeln entsprechend formuliert – verständlicherweise: Der Tod Jesu hat die Frage nach der Stellung Gottes zum Gekreuzigten provoziert (s.o. 1.1); und diese Frage wird durch Auferweckung Jesu durch Gott beantwortet.
  • Zum andern bezeugt Paulus im Kontext diese Perspektive (»... dass Gott Christus auferweckt hat«: 1Kor 15,15).

Auffälligerweise ist die Auferweckungsaussage im Perfekt formuliert. Im Griechischen wird damit die Fortdauer eines erreichten Zustandes ausgedrückt; der Ton liegt nicht auf einem einmaligen Vorgang, sondern auf dessen Resultat. Es wird in 1Kor 15,4 also »von dem gesprochen, der jetzt der Auferweckte ist und als der gegenwärtig Lebendige bekannt wird« (A. Lindemann). Diese Ausrichtung steht in Spannung zur Zeitangabe »am dritten Tag«, die ja auf einen Zeitpunkt gerichtet ist. Möglicherweise ist die Perfektform sekundär (J. Kremer schreibt sie Paulus zu).

Der beschriebene Sinngehalt der verwendeten Zeitform lenkt den Blick auf die endzeitliche Bedeutung der Auferweckung Jesu. Es geht nicht wie in Totenerweckungserzählungen um eine Rückkehr ins Leben unter den Bedingungen dieser Welt, »sondern um die endgültige Errettung des Gekreuzigten aus dem Bereich des Todes« (J. Kremer). Die Auferweckung Jesu ist ein endzeitliches Ereignis, Hereinbrechen des neuen Äons in den alten.

  • In 1Kor 15 wird das direkt bestätigt durch die Rede von Christus als dem »Erst­ling der Entschlafenen« (15,20). Seine Auferweckung leitet die endzeitliche Totenauf­erstehung ein – dieser Zusammenhang ist für Paulus grundlegend in seiner Argumentation gegen die Leugnung der Auferstehung in der Gemeinde von Korinth.nach oben

»Erschienen«

Die Aussage über die Erscheinung bestätigt diejenige über die Auferweckung. Dass der Gekreuzigte Kephas und den Zwölf erscheint, ist nur möglich, weil er nicht im Tod geblieben ist, sondern auferweckt und in göttliche Macht eingesetzt wurde.

Diesen Zusammenhang erweist ein Blick auf die Bedeutung des Erscheinungsmotivs im Alten Testament. Der griechische Ausdruck (ὤφθη/ophthe) nimmt atl Sprachgebrauch auf: Wenn Gott oder ein Engel sich zu erkennen gibt, ist die Rede von »erscheinen« (z.B. Gen 12,7; 17,1; 18,1; 35,9, Ex 3,2; allerdings gilt dieser Zusammenhang nicht ausschließlich: vgl. 1Kön 3,16). Daraus lässt sich folgern:

  • Die Erscheinung enthält ein aktives Element. Es geht nicht nur um ein Sehen, sondern darum, dass sich einer sehen lässt, sich zu erkennen gibt. Dass Paulus ein und dasselbe Geschehen mit »erscheinen« (1Kor 15,8) und mit »Offenbarung durch Gott« (Gal 1,15f) wiedergeben kann, bestätigt diesen Akzent (Philo hebt ihn in Abr 80 ausdrücklich hervor).
  • Wenn Erscheinungsterminologie auf den Auferstandenen übertragen wird, wird er in göttlicher Macht vorgestellt. Die Aussage »er erschien« ist also bereits eine Deutung der Erfahrung, die die Jünger nach dem Karfreitag gemacht haben, keine rein informative Beschreibung der Ostererfahrung. Wir können nur sagen: Die Jünger haben eine solche Erfahrung gemacht und sind durch sie zum Glauben an die Auferweckung Jesu gekommen. Wie diese Erfahrung aber näherhin »ausgesehen« hat, bleibt uns verschlossen.

Dass die Erscheinung der Legitimation der Erscheinungsempfänger diente, also deren Autorität stützen sollte, lässt sich dem Wortlaut der Formel in 1Kor 15,3-5 nicht entnehmen (er ist, wie gezeigt, auf die Bestätigung der Auferweckungsaussage ausgerichtet). Auch der gerade besprochene atl Hintergrund spricht nicht für diese Annahme. Und Paulus setzt die Erscheinungstradition eher für die Begründung der Botschaft als für die Legitimation der Erscheinungsempfänger ein (vgl. 1Kor 15,11: »ob nun ich oder jene, so verkünden wir und so seid ihr zum Glauben gekommen«).nach oben

»Kephas, dann den Zwölf«

In der Nennung des Petrus schlägt sich dessen Rolle für die nachösterliche Sammlung des Jüngerkreises nieder. Sie gründet in der Ersterscheinung (s.a. Lk 24,34). Vom Zwölferkreis spricht Paulus nur an dieser Stelle. Auch im Zusammenhang mit dem Apostelkonzil erwähnt er ihn nicht.

Dass Judas hier nicht berücksichtigt ist, belegt nicht die erst nachösterliche Entstehung dieses Kreises. Im Rahmen einer Formel kam es nicht auf numerische Exaktheit an, sondern auf die eindeutige Identifizierung der gemeinten Gruppe.

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