Bibelstudium
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3.3 »Für euch«/«Für (die) viele(n)«

Das »Für« als Kennzeichnung stellvertretender Sühne / Verbindung zu Jes 53

Nach der hier vertretenen Rekonstruktion sind die »Für-Aussagen« nicht ursprünglich, sondern erst im Lauf der nachösterlichen Überlieferung in die Abendmahlstradition gekommen. Warum ist das geschehen? Wie sind die entsprechenden Aussagen zu verstehen?

Das »Für« als Kennzeichnung stellvertretender Sühne

Die deutsche Präposition »für« hat (wie das griechische Pendant hyper) eine zweifache Bedeutung: Es kennzeichnet zum einen ein zugunsten von, zum andern ein anstelle von. Beide Dimensionen lassen sich nicht streng voneinander trennen. Indem Jesus für uns stirbt,

  • tritt er an unsere Stelle als Sünder (Gedanke der Stellvertretung)
  • und befreit von der Sünde, handelt also uns zugunsten (Gedanke der Sühne).

Mit der Rede von »Sünde« ist allerdings ein Begriff eingebracht, der in der Abendmahls­tradition nur bei Mt belegt ist. Darf er dennoch auch dort vorausgesetzt werden, wo er nicht genannt ist? Diese Frage betrifft nicht nur die Abendmahlstexte, sondern auch Kurzformeln, in denen der Tod Jesu als »für uns« geschehen gekennzeichnet wird (z.B. 2Kor 5,14; Röm 14,15; Gal 2,20). Mehrheitlich wird die Frage bejaht, und das mit guten Gründen. Man kann den Gedanken der Stellvertretung nicht isolieren vom Gedanken der Sühne.

  • In diesem Fall wäre zu klären, inwiefern uns der Tod zugekommen wäre, Jesus in seinem Sterben an unsere Stelle getreten sei. Hier liegt die Grenze von Parallelen aus der griechischen Welt, die das »Sterben für« verstehen im Sinne des Lebenseinsatzes für Nahestehende, Freunde oder das Gemeinwesen. In diesen Fällen verbindet sich der Lebenseinsatz mit einer Rettung, die sich im Weiterleben der Geretteten unmittelbar dokumentiert. Dies ist in der Verkündigung des Todes Jesu nicht der Fall. »Der Tod Jesu rettet nicht die Einwohner Jerusalems vor einer Pest, er stirbt nicht stellvertretend, um einige seiner Freunde oder seine Familie aus einer physischen Notlage zu befreien. Der Tod Jesu durchbricht den Tat-Folge-Zusammenhang zwischen Sünde und Todesgericht, und zwar für alle.« Die Für-Formeln »implizieren eine ,Sühnevorstellung‘« (C. Breytenbach).

So ist in den Für-Worten der Abendmahlstradition durchweg der Gedanke der stellvertretenden Sühne ausgedrückt, auch wenn vom Nachlass der Sünden nur in Mt 26,28 die Rede ist.nach oben

Verbindung zu Jes 53

Der Tod Jesu zugunsten der Vielen (Mk 14,24par; vgl. auch 10,45par) weist auf das vierte Gottesknechtslied (Jes 53), in dem wiederholt dieser Begriff erscheint. Der Gottesknecht trägt die Sünden von vielen (V.12), er macht die Vielen gerecht (V.11). Der Be­griff begegnet nicht nur, wenn es um die Bedeutung des Gottesknechtes für andere geht; er kennzeichnet auch die anderen in ihrer Stellung zum Gottesknecht: Viele haben sich über ihn entsetzt (52,14); viele Völker setzt er ins Staunen (52,15).

Setzt man diesen Hintergrund voraus, gewinnt die Sühneaussage einen deutlich universalen Akzent. Mit den »Vielen« ist nicht nur unbestimmt eine Mehrzahl bezeichnet. Unabhängig von der Frage, ob »viele« im Semitischen die Bedeutung von »alle« annehmen kann, ist das vierte Gottesknechtslied (wie auch das erste und zweite in Jes 42; 49) von einem Horizont bestimmt, der über Israel hinausgeht.

  • Dies ist für die urchristliche Verkündigung sicher von Bedeutung gewesen, da sie die Grenzen des Volkes Israel mit der Mission unter Samaritanern und dann unter Heiden verlassen hat. Obwohl ausdrückliche und klare Bezüge auf Jes 53 in den frühen Traditionen fehlen, dürfte diese atl Passage für die urchristliche Theologie sehr wichtig gewesen sein. Die Abendmahlstradition bietet einen der andeutenden Bezüge auf das vierte Gottesknechtslied.

Dass der Tod Jesu gedeutet wurde als stellvertretender Sühnetod, in dem universal und endzeitlich-endgültig Sündenvergebung zugesprochen wird, lässt sich aus den besonderen Bedingungen der Situation nach Karfreitag und Ostern erklären (s. dazu hier).

Weiter zu 4.

Zur Deutung des Wiederholungsauftrags in der pl/lk Linie s. hier.


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