Der Epheserbrief
I. Verfasserfrage, Zeit und Ort der Abfassung II. Adressaten und Briefintention III. Theologische Akzente
I. Verfasserfrage, Zeit und Ort der Abfassung
Der Epheserbrief stimmt theologisch sowie sprachlich an vielen Punkten mit dem Kolosserbrief überein. Da die Positionen im Eph weiter entwickelt zu sein scheinen, nimmt man für gewöhnlich die Abhängigkeit des Eph vom Kol an (und nicht umgekehrt). Auch lassen sich die sprachlichen und theologischen Eigenheiten des Briefes kaum in Einklang mit der paulinischen Theologie bringen, sodass die Annahme pseudepigraphischer Abfassung des Briefes gut begründet ist.
Eine zeitliche Einordnung ist schwierig. Aufgrund der Weiterentwicklung des Eph im Gegensatz zum Kol wird man ihn später ansetzen, wohl in die 80er oder 90er Jahre des ersten Jahrhunderts – vor die Jahrhundertwende, da ansonsten ein Reflex zu den sozialen Konflikten unter Domitian in Kleinasien zu erwarten wäre.
Die Nähe zum Kolosserbrief spricht auch für die Abfassung in demselben Umfeld, also ebenfalls im Lykostal bzw. Hierapolis, in jedem Falle Kleinasien.nach oben
II. Adressaten und Briefintention
Ausgehend von der Verfasserfiktion sowie der textkritisch unsicheren Adressierung – »in Ephesus« (1,1) ist nicht in allen Handschriften bezeugt – nimmt man an, dass der Brief als Rundschreiben, eine Art Vermächtnis des Paulus, konzipiert ist. Der Verfasser hat nicht eine konkrete Gemeinde im Blick, sondern zielt mit Ephesus den Mittelpunkt seines einstigen Wirkens an und erwartet von dort aus die Verbreitung seines Schreibens. Eine spezifisch briefliche Intention lässt sich schwer ableiten. Letztlich wird dem Verfasser wohl daran gelegen sein, seine theologischen Intentionen, die als Weiterentwicklung paulinischer Theologie verstanden werden können, durch die paulinische Autorität zu legitimieren.nach oben
III. Theologische Akzente
Der Autor bringt eine Fülle von kosmologischen Vorstellungen in seine Argumentation ein, daneben finden sich viele Wendungen, die an gnostisches Gedankengut erinnern (Ab- und Aufstieg des Erlösers in 4,7-11, Pleroma, Anthropos, vollkommener Mann, ...), wobei ähnliches Gedankengut auch im alexandrinischen Judentum (vgl. Philo) verbreitet war und somit eine eindeutige traditionsgeschichtliche Verortung nicht möglich ist.
Von diesem Gedankengut her entwirft nun der Autor eine kosmologische Christologie. Im Mittelpunkt steht dabei die Befriedung des Kosmos, welche in Christus geschieht und sich in unterschiedlichen Weisen manifestiert: (a) in der Einung der zerrissenen Welt durch Unterwerfung der die Christen gefährdenden Mächte; (b) durch die Einung von Juden und Christen in der einen Kirche sowie (c) in der Einung unterschiedlicher sozialer Rollen durch das Band der Liebe.