Die Pastoralbriefe (1/2Tim / Tit)
I. Frage nach der Verfasserschaft II. Zeit und Ort der Abfassung III. Die Adressaten IV. Zum Inhalt
I. Frage nach der Verfasserschaft
Die Pastoralbriefe unterscheiden sich sehr stark von den authentischen Paulusbriefen, sodass ihre Verfasserschaft mit Recht in der Forschung gewöhnlich nicht anerkannt wird. Aus der missionarischen Situation heraus ist es jedenfalls nicht möglich, sich die auftretenden Positionsänderungen des Paulus zu erklären. Daher muss mit pseudepigraphischer Abfassung unter Berufung auf Paulus gerechnet werden.nach oben
II. Zeit und Ort der Abfassung
Eine Ortsangabe für die Entstehung der Briefe ist schwierig. Diskutiert werden Ephesus und Rom, wobei sichere Rückschlüsse aufgrund der Brieffiktion nicht möglich sind. Für Ephesus spricht die häufige Nennung innerhalb der Briefe, für Rom die Gestaltung des 2Tim als Testament des Paulus vor seiner Verurteilung in Rom.
Etwas sicherer schien man sich lange Zeit mit der Datierung des Briefes gewesen zu sein. Da die Pastoralbriefe in der Tradition immer zum Corpus Paulinum gezählt wurden, gehen viele Forscher davon aus, dass sie nicht zu spät entstanden sein können. Zudem geben die Briefe die Entwicklung einer frühchristlichen Gemeindestruktur zu erkennen, die sich in den Ignatiusbriefen (meist vor 117 datiert) gefestigt zu haben scheint. Daher meinte man, die Pastoralbriefe um 100 ansetzen zu müssen. Da aber in der Forschung immer mehr gute Gründe herausgearbeitet wurden, die Ignatiusbriefe ebenfalls als pseudepigraphische Schreiben zu betrachten, welche frühestens in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts zu datieren seien, mehren sich die Stimmen, die auch die Pastoralbriefe in die Zeit zwischen 130 und 150 ansetzen. Schließlich ist eine äußere Bezeugung auch erst für das Ende des 2. Jahrhunderts nachzuweisen.nach oben
III. Die Adressaten
Timotheus und Titus waren Mitarbeiter des Paulus. Ist der Autor Paulus eine Fiktion, so sind es auch die beiden Adressaten. Die Adressierung hat wohl eine zweifache Funktion: Als Apostelschüler garantieren sie die Konituität zu Paulus, verbinden zwischen der Zeit des Apostels und der Gegenwart der Pastoralbriefe. Außerdem werden sie transparent für die Anforderungen, die sich laut den Briefen für die Gemeindeleiter ergeben. Was den Briefadressaten gesagt wird, gilt zugleich für die Amtsträger zur Zeit der Pastoralbriefe.
Meist werden die drei Briefe als zusammengehörendes Briefcorpus verstanden (in neuerer Zeit wird dies aber auch bestritten). Sie sind keine situativen Schreiben, sondern reflektieren theologische Fragestellungen. Die Wahl zweier unterschiedlicher Adressaten ist wohl ebenso Absicht: Sie befinden sich an unterschiedlichen Orten (Ephesus und Kreta), und so ist der Briefinhalt nicht nur für eine einzige Gemeinde von Bedeutung, sondern kann Allgemeingültigkeit beanspruchen.nach oben
IV. Zum Inhalt
Auseinadersetzung mit Gegnern
Auch wenn keine konkrete Situation als Anlass für den Brief ausgemacht werden kann, so ist dennoch die Auseinandersetzung mit Gegnern ein zentrales Thema innerhalb der Briefe. Die Gegner scheinen ein judenchristlich-gnostisches Profil zu besitzen, gegen das der Autor meint vorgehen zu müssen, um die christlichen Gemeinden davor zu schützen.
Die Gemeindeordnung
Zur Zeit der Pastoralbriefe hat sich offenbar schon eine Ämterstruktur herausgebildet. Episkopos (Bischof), Presbyter (Älteste) und Diakone scheinen für das Gemeindeleben verantwortlich zu sein. Eine genaue Definition dieser drei Ämter findet sich nicht, jedoch scheint der Episkopos als Gemeindeleiter an der Spitze zu stehen und steht in der besonderen Verantwortung, die »gesunde Lehre« angesichts der Gegner zu verteidigen.
Mit der Ausbildung der Ämter scheint zugleich die Zurückdrängung der Frauen aus dem aktiven Gemeindeleben verbunden zu sein. Anscheinend haben die Christen versucht, ihre internen Strukturen an diejenigen der hellenistischen Umwelt anzupassen, bei denen die Rolle der Frau ebenso auf die Familie beschränkt war. Zugleich konnten sie sich von Gemeinschaften – wie etwa der Gnosis – abgrenzen, bei denen Frauen gleichberechtigt waren, was eben von der hellenistischen Umwelt als inakzeptabel aufgefasst werden und zu offener Ablehnung führen konnte.