Zur Frage der Einheitlichkeit
I. Hinweise auf nachträgliche Bearbeitung II. Die Reihenfolge von Kap. 5-7 III. Ein textkritisches Problem
I. Hinweise auf nachträgliche Bearbeitung
Kap. 21 erweist sich recht deutlich als Nachtrag: Die Formulierung in 20,30f kann nicht anders denn als Schluss des Evangeliums gedacht gewesen sein; das erneute Einsetzen mit Erscheinungstradition wirkt deplatziert. Die Aussage in 21,24 stammt nicht vom Autor des Werkes.
Als späterer Zusatz können auch die Kapp. 15-17 gewertet werden. 18,1 schließt nämlich unmittelbar an 14,31 an, dagegen befremdet die Fortsetzung der Abschiedsrede nach 14,31 (»steht auf, lasst uns von hier fortgehen«) in 15,1 (»Ich bin der wahre Weinstock«).
- Gegen diese Einschätzung wird der Einwand erhoben: der Redaktor hätte durch die Einfügung vor 14,30 »alle Schwierigkeiten umgehen können« (U. Schnelle).
Aber: Am besten wird der schwierige Textzusammenhang durch die Annahme erklärt, dass der Redaktor die Abschiedsreden mit dem Gebet Jesu beschließen und vom vorgegebenen Textbestand nichts wegnehmen wollte. Wäre der Text von Anfang an auf das Gebet Jesu ausgerichtet gewesen, dann hätte 14,30f anders gelautet.
Als weitere Einschübe werden diskutiert: 3,31-36; 5,28f; 6,51b-58; 10,1-18 u.a.
Die Redaktion dürfte im Rahmen der joh Gemeinde erfolgt und nicht als Korrektur des Evangeliums verstanden worden sein.nach oben
II. Die Reihenfolge von Kap. 5-7
Mehrere Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass die überlieferte Reihenfolge der Kapp. 5-7 nicht ursprünglich ist:
- Die Aussage von Joh 6,1 passt schlecht als Fortsetzung von 5,47.
- Kap. 7 folgt besser auf Kap. 5 als auf Kap. 6.
- Innerhalb von Kap. 7 sind VV.15-24 besser vor 7,1-14 zu lesen. Kap. 4 folgt Kap. 6, dann Kap. 5 und 7,15-24.1-14.25ff.
Zum Anschluss von 7,15-24 an Kap. 5:
7,15 Da wunderten sich die Juden und sagten: Wie besitzt dieser Gelehrsamkeit, da er doch nicht gelernt hat? | Anschluss an 5,47 |
16 Da antwortete ihnen Jesus und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat. 17 Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede. 18 Wer aus sich selbst redet, sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und Ungerechtigkeit ist nicht in ihm. | Abhängigkeit vom Vater: Grundthema in 5,19-47 |
19 Hat nicht Mose euch das Gesetz gegeben? Und keiner von euch tut das Gesetz. | Schriften, Mose: 5,39.46f |
Was sucht ihr mich zu töten? | 5,18 |
20 Die Volksmenge antwortete: Du hast einen Dämon. Wer sucht dich zu töten? 21 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ein Werk habe ich getan, und ihr alle verwundert euch deswegen. 22 Mose gab euch die Beschneidung – nicht dass sie von Mose sei, sondern von den Vätern – und am Sabbat beschneidet ihr einen Menschen. 23 Wenn ein Mensch die Beschneidung am Sabbat empfängt, damit das Gesetz Moses nicht aufgehoben wird, wieso zürnt ihr mir, dass ich einen ganzen Menschen gesund gemacht habe am Sabbat? | Bezug: Gelähmtenheilung am Sabbat: 5,1-9 |
24 Richtet nicht nach dem Schein, sondern richtet das gerechte Gericht. | »mein Gericht ist gerecht«: 5,30; s.a. 5,27 |
Die Blattvertauschungshypothese rechnet mit einem Versehen beim Originalkodex (daher in allen Handschriften die schlecht passende Reihenfolge) und hat dies durch die durchschnittliche Buchstabenmenge auf einem Papyrusblatt zu begründen versucht. Eine bessere Erklärung des Befundes ist nicht in Sicht.
III. Textkritisches Problem
7,53-8,11 (Jesus und die Ehebrecherin) ist in den besten Handschriften nicht bezeugt, also aus textkritischen Gründen unsicher. Meist gilt die Geschichte als sekundär, doch wird auch ihre Ursprünglichkeit vertreten: die nachgiebige Haltung zum Ehebruch sei später anstößig gewesen und habe zur Tilgung geführt.