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Zur Theologie des Johannes-Evangeliums

I. Der Gesandte   II. Der Weg des Gesandten   III. Glaube und Leben

I. Der Gesandte

Der Motivkreis von senden, kommen, zurückkehren

Jesus wird im JohEv wesentlich dadurch bestimmt, dass er der vom Vater gesandte Sohn ist (z.B. 13,3; 16,5.28). Er ist also nicht als Gestalt dieser Welt zu sehen. Die Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich

  • in der Häufigkeit der entsprechenden Aussagen,
  • in der Tatsache, dass die Sendung Gegenstand des Glaubens sein kann (z.B. 11,42; 17,8; s.a. das negative »Gegenstück« 8,14),
  • darin, dass Gott durch die Sendung Jesu bestimmt wird (5,24.30 u.ö.).

Die Sendung des Sohnes ist Ausdruck der Liebe Gottes zur Welt; die Welt soll gerettet, nicht gerichtet werden (3,16f).

In der Sendung des Sohnes ereignet sich das endzeitliche Gericht, in der Stellung zu Jesus entscheidet sich Heil und Unheil (3,18).

Die Ich-bin-Worte

Nur im JohEv wird die Bedeutung Jesu ausgedrückt durch Ich-bin-Worte, die um ein Bild erweitert sind:

  • Brot des Lebens (6,35);
  • Licht der Welt (8,12);
  • Tür (10,9);
  • guter Hirt (10,11);
  • Auferstehung und Leben (11,25f);
  • Weg, Wahrheit und Leben (14,6);
  • (wahrer) Weinstock (15,1.5).

Die Bilder und Begriffe sind durchweg als Heilsbegriffe geprägt. Die Ich-bin-Worte bringen zum Ausdruck, dass Jesus in seiner Person das Heil ist. Geber und Gabe des Heils sind identisch (deshalb hat Jesus im JohEv nichts anderes zu verkünden als sich selbst).

Christologische Titel

Der wichtigste Titel ist das absolut gebrauchte der Sohn. Er steht in Korrespondenz zur Rede vom »Vater« oder »meinem Vater«.

Die Sohn-Christologie wird zum einen im Blick auf die Sendung zur Welt entfaltet (s.o.), zum andern im Blick auf das Verhältnis Jesu zu Gott. Dabei steht der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn im Vordergrund. Die Einheit zeigt sich als

  • Einheit des Wirkens (z.B. 5,19.30; s.a. 8,29.38.40; 12,50);
  • Einheit des Seins (z.B. 10,30), nicht gedacht als innertrinitarische Spekulation. Es geht um die Eröffnung des Wegs zu Gott (14,9). So sind die Glaubenden in die Einheit einbezogen (14,20) – doch bleibt dies geöffnet auf die Welt und ihre Rettung hin (17,21.23).nach oben

II. Der Weg des Gesandten

Die Zeichen

Im JohEv begegnet die Rede von Zeichen nicht nur im negativen Horizont der Zeichenforderung (vgl. Mk 8,11-13). Der Begriff ist positiv besetzt und bezeichnet die Wundertaten Jesu, die in einzelnen Geschichten erzählt oder summarisch erwähnt werden (z.B. 2,23; 6,2).

Joh bevorzugt den Begriff »Zeichen«, weil er so den Verweis-Charakter des Geschehens deutlich machen kann: Die Wundertaten verweisen auf Jesus selbst. Deshalb ist die angemessene Reaktion der Glaube an Jesus.

Der symbolische Sinn der Wunder kann durch Jesusworte eigens geklärt werden (Brotrede 6,26-59; 9,5; 11,25f).

Als Teil der Geschichte Jesu sind die Zeichen Vergangenheit, gebunden an die Fleischwerdung des Logos (1,14). Insofern aber in den Zeichen die Bedeutung Jesu grundsätzlich aufscheint, ist die Dimension des Vergangenen auch überstiegen und eine Botschaft entfaltet, die in die Gegenwart der Glaubenden reicht.

Die Passion Jesu

Der Beginn der Passionsgeschichte ist nicht eindeutig zu bestimmen. In einem weiteren Sinn kann man an 13,1 denken (letztes Mahl), in einem engeren Sinn an 18,1 (Verhaftung Jesu).

Joh beschreibt die Passion als Siegeszug, als den von Jesus selbst bestimmten Hingang zum Vater. Die gegen Jesus antretenden Mächte haben keine wirkliche Gewalt über ihn. Dieses Verständnis von Jesu Leiden wird

  • vorbereitet durch entsprechende Hinweise im Evangelium (7,30.44; 8,20; 10,18);
  • ausdrücklich gesagt im Verhör vor Pilatus (19,11);
  • inszeniert in den einzelnen Abschnitten. So geschieht die Gefangennahme auf die Initiative Jesu hin; im Verhör vor Pilatus bleibt Jesus souverän, während der Gerichtsherr ängstlich ist, schwankt und schließlich auf Druck der Ankläger hin das Urteil fällt; Jesus scheint den Zeitpunkt seines Todes selbst zu bestimmen.nach oben

III. Glaube und Leben

Die Bedeutung des Glaubens

Das Thema des Glaubens spielt bei Joh eine viel größere Rolle als in den übrigen Evangelien (98 Belege; 34 bei allen Synoptikern zusammen).

Inhaltlich ist der Glaube christologisch bestimmt. Im Glauben wird Jesu Anspruch anerkannt, endgültiger Offenbarer Gottes und Heilbringer zu sein (»an Jesus glauben«). Das Moment des Vertrauens ist nicht betont.

Der Glaube ist außerdem soteriologisch bestimmt. Im Glauben ist die Rettung des Menschen begründet, der Glaube führt zum Leben (z.B. 3,14f; 5,24; 11,25; 20,31). Dieser Grundzug des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils, die für Joh kennzeichnend ist. Indem sich der Glaube auf Jesus richtet, hat er das Leben.

Johanneische Eschatologie

Eine apokalyptische Endzeitrede wie Mk 13parr fehlt im JohEv. Ansatzpunkte für solche Vorstellungen (wie 5,28f oder 14,2f) könnten Zusatz sein oder werden im JohEv in einen neuen Verständnis-Rahmen gestellt.

Die Eschatologie des JohEv ist individuell ausgerichtet. Im Zusammenhang mit dem Aufruf zum Glauben, der an Einzelne ergeht, ist vom Lebensgewinn die Rede (z.B. 11,25: mit Blick auf den je eigenen Tod).

Die Eschatologie des JohEv ist präsentisch ausgerichtet. Im Glauben gewinnt man das Leben: Wer glaubt, hat das ewige Leben (5,24). Eine futurische Dimension des Heils folgt zwar aus der individuellen Lebensspanne bis zum Tod. Der Akzent liegt aber ganz darauf, dass man im Glauben jetzt das Leben gewinnt, um im Tod nicht zu vergehen.

Angesichts dieser starken Akzente sind die Bezüge auf die »Auferweckung am letzten Tag« rätselhaft (in Joh 6; 12,48). Alle Notizen stehen am Ende von Sätzen, zumindest einige sind schlecht in den Zusammenhang eingebunden – so kann man an sekundäre Zusätze denken. Ginge es darum, jetzt im Glauben das Leben zu haben, um am letzten Tag auferweckt zu werden, stellt sich die Frage, was der Lebensgewinn in der Gegenwart bedeuten soll.

Durch den Paraklet (der Herbeigerufene, auch: der Beistand im Gericht, Fürsprecher, Tröster), den heiligen Geist, wird die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert. Der Aufruf zum Glauben bleibt durch das Zeugnis der Jünger über das Wirken des irdischen Jesus hinaus erhalten.


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