Bibelstudium
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Sühnetod-Deutung und Abendmahlstradition

I. Keine ausdrückliche Verbindung von Sühne und Basileia 

II. Todesdeutung ohne Sühne-Motiv: Mk 14,25   

III. Der Befund der Jesustradition

I. Keine ausdrückliche Verbindung von Sühne und Basileia

Die aufgeworfene Frage, wie sich eine Sühnetod-Deutung durch Jesus mit seiner Verkündigung verbinden lässt, wird auffälligerweise durch die Abendmahlstradition nicht beantwortet. Die Sühneaussage wird nicht in Beziehung gesetzt zur Botschaft von der Basileia. Sie begegnet im Zusammenhang des Bundes-Motivs, das ansonsten in der Jesus-Tradition begrifflich keine Rolle spielt.

Diese Singularität des Bundesmotivs lässt sich nicht mit der Ablehnung der Botschaft und der Situation der Todesgewissheit erklären. Wenn Jesus bis zum Abendmahl die Basileia ohne Bezug auf den neuen Bund verkündet hat, ist der knappe Bezug darauf in der Abendmahlstradition ein Problem.

  • Es wird nicht durch den Hinweis gelöst, dass ein Bundesschluss ein einmaliger Akt sei (so G. Theißen). Zu klären wäre, warum Jesus sich in der Situation des letzten Mahles zu einem solchen Bundesschluss herausgefordert sah, wenn die Verkündigung der Basileia ohne solchen Bezug auskam. Dies hängt nicht mit der Stiftung eines neuen Kultes zusammen (s. dazu die Diskussion hier).
  • Außerdem wäre zu klären, warum sich das Motiv des neuen Bundes nicht durchgehalten hat: Die mk/mt Linie spricht vom Blut des Bundes, ohne den neuen Bund nach Jer 31 ausdrücklich ins Spiel zu bringen.nach oben

II. Todesdeutung ohne Sühne-Motiv: Mk 14,25

Umgekehrt finden wir den Zusammenhang von Tod Jesu und Basileia gerade in einem Logion, das keine Sühne-Aussage enthält: der so genannte eschatologische Ausblick in Mk 14,25.

Dieser Tatbestand ist kaum überzubewerten, denn auch dieser Ausblick enthält implizit eine Todesdeutung. Auch wenn man ihn als Todesprophetie versteht, ist er doch zugleich mehr als nur die Ankündigung des Todes. Die Spitze des Spruches liegt im zweiten Teil, der Teilhabe Jesu am endzeitlichen Festmahl des vollendeten Reiches Gottes. Dann geht es in dem Wort nicht nur darum, dass Jesus seinen Jüngern seine Todesgewissheit mitteilt; er versichert sie vielmehr angesichts seines nahen Todes des Kommens der Basileia. Wenn Jesus von seinem Trinken im Reich Gottes spricht, dann ist damit zugleich ganz grundsätzlich die Vollendung der Basileia im Blick.

► Gottesherrschaft und Tod Jesu werden in Mk 14,25 miteinander verbunden, aber ohne dass Jesu Sterben eine Funktion für das Kommen der Gottesherrschaft hätte.

Es gibt also keinen Spruch in der Jesusüberlieferung, der den Zusammenhang bezeugt, dass Jesus wegen der Ablehnung seiner Basileia-Botschaft zur Überzeugung gekommen sei, er müsse das sühnende Sterben auf sich nehmen. Mk 14,25 ist ein Beleg dafür, dass Jesus an seiner Botschaft festgehalten hat – auch angesichts des nahen Todes. Dass vom Kommen der Basileia nun anders, nämlich sühnetheologisch gesprochen werden müsse, ist ohne Textanhalt in der Jesustradition. So tritt die Todesdeutung des »eschatologischen Ausblicks« neben die des Becherwortes.

  • Dies bestätigt die literarkritische* Analyse, nach der das Becherwort ein sekundäres Element der Abendmahlstradition ist (s. dazu hier). nach oben

III. Der Befund der Jesustradition

Ein kurzer Blick auf den Gesamtbefund der Jesustradition deutet ebenfalls in die Richtung des vorgestellten Ergebnisses. In diesem Rahmen zeigt sich nicht nur, dass das Thema des heilsvermittelnden Sterbens sehr schmal bezeugt ist (neben der Abendmahls­überlieferung nur Mk 10,45par).

Wichtiger noch ist folgende Beobachtung: Es gibt Deutungen des Todes Jesu, die ohne die Sühneaussage auskommen, vor allem die Leidensankündigungen sind hier zu nennen (Mk 8,31; 9,31; 10,32-34). Sie betonen das »muss« des Leidens, bieten aber nur insofern eine Deutung des Todes Jesu, als sie sagen: Dieser Tod stimmt auf verborgene Weise mit dem Willen Gottes überein (so auch die Sondertraditionen des LkEv: 13,32f; 24,7; 24,25-27; 24,44-47).

► Ein von Jesus herrührender Erstimpuls in der Rede vom Sühnetod hätte also in der Jesustradition keineswegs dominiert. Es gibt auch andere Deutungen des Todes Jesu – und zwar anerkannt nachösterliche.

Jesus müsste sehr undeutlich vom Heilssinn seines Todes gesprochen haben, so dass die Frage berechtigt ist, ob der entscheidende Impuls zu dieser Sinngebung seines Todes wirklich von ihm selbst kam.

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