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5.1 Markus

Vollmacht Jesu zu Machttaten / Jesus als Lehrer / Das »Messiasgeheimnis«

 

Wunderüberlieferungen nehmen im MkEv einen breiten Raum ein. Der Evangelist scheint, quantitativ gesehen, an ihnen ein größeres Interesse zu haben als an der Wortverkündigung Jesu. Doch wird dieser erste Eindruck bei näherer Betrachtung etwas korrigiert.

Vollmacht Jesu zu Machttaten

Grundsätzlich ist festzuhalten: Jesus hat in der Sicht des Mk die Macht, Wunder zu wirken. Zwar liegt das Schwergewicht eindeutig auf Heilungen und Dämonenaustreibungen, wie vor allem die Sammelberichte zeigen (1,32-34; 3,7-12; 6,53-56: sie verstärken den Eindruck vom Wunderwirken Jesu). Doch erzählt Mk auch Rettungs- und Geschenkwunder oder Epiphanien, in denen sich Macht und Hoheit Jesu in besonderer Weise zeigen. Dass der Evangelist diese Geschichten auch für andere Akzente nutzt, nimmt diesen christologischen Aspekt nicht zurück. Von einer Wunderkritik im eigentlichen Sinn kann man nicht sprechen.nach oben

Jesus als Lehrer

Trotz (im Umfang) relativ schmaler Worttradition gibt Mk deutliche Hinweise, dass Jesu Wundertaten in Beziehung zu seiner Verkündigung zu sehen sind.

  • Dies zeigt sich in der Komposition des Evangeliums
  1. Jesus tritt zunächst als Verkünder auf (1,14f), der Jünger beruft (1,16-20), ehe von einem Wunder erzählt wird.
  2. Nach einer ersten Reihe von Heilungen wird Jesus in Streitgesprächen durch seine Worte profiliert (2,1-3,6). Der erste Einschnitt ist mit dem Tötungsbeschluss in 3,6 erreicht – nach einer Sammlung von Streitgesprächen, deren erster (2,1-12) und letzter Abschnitt (3,1-6) Wort- und Tatverkündigung miteinander verbinden.
  3. Dem zweiten Zyklus von Wundergeschichten (4,35-5,43) ist mit der Szene in 3,20-35 und dem Gleichniskapitel (4,1-34) eine längere Sequenz vorgeschaltet, die Jesus als Wort-Verkünder zeigt.
  4. In dem Teil, der vorrangig der Belehrung der Jünger gewidmet ist (8,27-10,52), gewinnen eingestreute Wundergeschichten symbolischen Sinn. Dies kündigt sich schon im Abschluss des vorausgehenden Teils an: Die Blindenheilung in 8,22-26 weist hintergründig auf die Blindheit der Jünger hin, wie sie in 8,14-21 inszeniert wird. In der Verklärungsgeschichte (9,2-10) wird ausgewählten Jüngern die Herrlichkeit Jesu offenbart – auch hier geht es ums rechte Sehen der Person Jesu (s. 9,2-4.8). Die Heilung des blinden Bartimäus schließlich mündet in die Nachfolge des Sehenden auf dem Weg nach Jerusalem, also in die Passion.
  • In eingestreuten Notizen erinnert Mk bisweilen im Rahmen einzelner Wundergeschichten an Jesus als Lehrer: 1,22; 2,2; 6,34. Auch außerhalb solcher Erzählungen ist Mk das Bild des verkündenden Jesus so wichtig, dass er es durch entsprechende Notizen verstärkt (1,35-39; 2,13; 4,34; 6,2; 6,6b; 10,1).
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Das »Messiasgeheimnis«

Zwar kann man, wie festgestellt, nicht von einer Wunderkritik sprechen, doch finden wir bei Mk durchaus eine Relativierung des Wunders, die sich nicht nur aus der Verbindung mit der Worttradition ergibt. Man darf Jesus nicht ausschließlich als Wundertäter sehen, sondern muss seinen ganzen Weg betrachten – bis zum Kreuz. Dies ist mit dem so genannten »Messiasgeheimnis« gemeint:

Jesus kann erst dann recht verstanden werden, wenn man auch sein Leiden in die Betrachtung einschließt.

Mk erreicht diese Ausrichtung durch verschiedene Strategien. Zwei davon finden sich im Zusammenhang von Wundergeschichten:

  • Schweigegebote an Geheilte oder an Dämonen: Jesus soll als Wundertäter nicht bekannt werden (z.B. Mk 1,34.44; 3,12; 7,36a). Dass diese Anweisung auch durchbrochen wird (1,45; 7,36b), zeigt allerdings die Jesus zukommende Macht, die zur Offenbarung drängt. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass Mk die Wundermacht Jesu nicht zurücknehmen will.
  • Das Unverständnis der Jünger: Trotz der Offenbarung der Macht und Würde Jesu, die manche Wundergeschichten inszenieren (Mk 4,35-41; 6,35-52; 8,1-10; 9,2-9), kommen die Jünger zu keinem angemessenen Verständnis der Person Jesu. Sie haben noch keinen Glauben (4,40), sind nicht verständig geworden angesichts von Seewandel und Brotvermehrung (6,52; 8,14-21).

    Daraus kann man kaum schließen, dass Mk jenen Wundergeschichten distanziert gegenüberstehe. Denn das Motiv des Jüngerunverständnisses ist ein Baustein des Messiasgeheimnisses, weist also auf die Notwendigkeit hin, den Weg Jesu bis zum Ende zu betrachten. Mk steht den »Naturwundern« nicht distanzierter gegenüber als der übrigen Wundertradition.

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