Bibelstudium
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2. Das Verhältnis zur staatlichen Gewalt

Herrscherkritik / Jesus und die Kaisersteuer / Jesus – kein Zelot

Die Frage nach dem Verhältnis Jesu zur staatlichen Gewalt stellt sich aus mehreren Gründen:

  • Die Existenz der antirömischen Widerstandsgruppen belegt, dass die römische Fremdherrschaft als problematisch empfunden werden konnte. Da diese zudem auch grundsätzlich jüdischem Selbstverständnis widersprach (das Land gehört JHWH, der es seinem Volk überlässt), kann man nach Anhaltspunkten für die Stellung Jesu zur staatlichen Obrigkeit fragen.
  • Jesus wurde durch die Römer hingerichtet – als politischer Aufrührer. Für diese Sicht sprechen sowohl der Kreuzestitel (»König der Juden«) als auch die Hinrichtungsart. Rief Jesus zum Widerstand gegen Rom auf? Oder lag die Schwelle, für das, was als »Aufruhr« verstanden wurde, so niedrig, dass auch ein nicht antirömisch eingestellter Verkünder kurzerhand beseitigt wurde?nach oben

Herrscherkritik

Es gibt Rekonstruktionen, nach denen Jesus »Zelot» gewesen ist, Anhänger einer antirömischen Widerstandsgruppe, für die die Anwesenheit der Römer im Land nicht vereinbar war mit der Herrschaft Gottes. War dies auch die Position Jesu? In der Jesustradition finden sich durchaus Ansätze zur Herrscherkritik. Allerdings nicht im Rahmen eines politischen Programms, sondern als Kontrastfolie für das von den Jüngern erwartete Verhalten:

»Ihr wisst, dass diejenigen, die die Völker zu beherrschen scheinen, sie unterdrücken und ihre Großen Gewalt gegen sie ausüben. So aber sei es nicht unter euch. Sondern wer unter euch groß sein will, soll Diener aller sein.« (Mk 10,42f).

Sichtbar wird die innere Distanz zur Macht der Mächtigen, die nur als Herrschende gelten. Für diese Nuancierung dürfte die Überzeugung vom Anbruch der Königsherrschaft Gottes verantwortlich sein, die menschlicher Herrschaft ein Ende setzen wird. Insofern das Verhalten der Jünger in Kontrast zu den Mächtigen gesetzt wird, entspricht es den Bedingungen des Lebens unter der angebrochenen Gottesherrschaft.

Deutlich wird aber auch, dass der Blick auf die Mächtigen nicht gesteuert ist von einem Programm gewaltsamen Umsturzes. Auch dies ist verständlich vom Zentralthema der Botschaft Jesu her: Im Rahmen der Überzeugung, dass die Basileia schon angebrochen ist und sich in Kürze vollenden wird, stellt gewaltsamer Widerstand gegen Rom einen Fremdkörper dar. Auch wenn wir dazu keine ausdrückliche Stellungnahme in der Jesustradition finden, kann man schließen, dass sich das Problem der römischen Fremdherrschaft in der Sicht Jesu in Bälde von selbst erledigen wird – bei der machtvollen Durchsetzung der Basileia Gottes.

Jesus und die Kaisersteuer

Diese im Vergleich zu den Zeloten gelassene Haltung zur staatlichen Obrigkeit in Gestalt der Römer bezeugt auch die Erzählung von der Kaisersteuer (Mk 12,13-17parr). Jesu Antwort distanziert sich von der zelotischen Position, für die das Ableisten der Steuer gegen Gottes Willen verstößt, wie er im Gesetz niedergelegt ist. Gott das zu geben, was Gottes ist, steht für Jesus nicht im Widerspruch zur kaiserlichen Steuer.nach oben

Jesus – kein Zelot

Dass Jesus nicht als Zelot einzustufen ist, ergibt sich auch aus folgenden Überlegungen:

  • Die Herrschaft Gottes kann nicht durch gesteigerte Aktivität des Menschen herbeigeführt werden, sondern kommt den Menschen als Geschenk von Gott zu (Mk 4,26-29).
  • Sie wird von Jesus nicht nur den im Sinne des Gesetzes Frommen zugesagt, sondern auch den Sündern. Die Zuwendung Jesu zu den Zöllnern dürfte für die antirömischen Gruppen höchst anstößig gewesen sein. Auch wenn die Abgabenpächter nicht unmittelbar der römischen Verwaltung angehörten, so war doch gerade durch ihre Tätigkeit die Herrschaft der Römer über das Land zu spüren.
  • Im Zwölferkreis erscheint ein Simon Kananaios (Mk 3,18; Mt 10,4) bzw. Simon der Zelot (Lk 6,15; beide Bezeichnungen sind gleichbedeutend). Mindestens einer der Zwölf kam aus den Kreisen der Widerstandsgruppen. Wenn einer durch den Zusatz »der Zelot« gekennzeichnet werden kann, ist das gerade ein Argument gegen die grundsätzlich zelotische Ausrichtung des Kreises um Jesus. Wären alle Zeloten, würde der Beiname »Zelot« zur Charakterisierung eines Einzelnen gerade keinen Sinn ergeben. Man muss bei jenem Simon also wohl mit einem ehemaligen Widerstandskämpfer rechnen, der sich durch diese Vergangenheit von den anderen Mitgliedern des Zwölferkreises absetzt.

Jesus hat keine Staatsethik entwickelt und dafür auch keine Anhaltspunkte geliefert. Zu punktuell sind die auswertbaren Äußerungen. Diese können wohl in Beziehung gesetzt werden zu anderen Vorstellungen von der römischen Obrigkeit; sie werden aber nicht grundsätzlich, weil alles unter dem Vorzeichen der Gottesherrschaft steht. Dass darin auch eine Distanz zu den Strukturen der Welt gegeben ist, sei abschließend noch einmal festgehalten. Dies äußert sich nicht zuletzt im Geschick Jesu, der auch angesichts des Widerspruchs der Obrigkeit gegen sein Wirken von seiner Botschaft nicht abgewichen ist.

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