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1. Besitz und Reichtum

Kritik an Besitz und Reichtum / Das Nadelöhr ist kein Stadttor (und kein Tau) / Wer kann dann gerettet werden? / Kein genereller Besitzverzicht

Kritik an Besitz und Reichtum

Die kritische Einstellung Jesu zu Besitz und Reichtum ist in der Jesusüberlieferung hinreichend dokumentiert. Es finden sich eindringliche Worte, die nicht nur vor den Gefahren des Reichtums zu warnen scheinen, sondern den Reichtum grundsätzlich als Hindernis für den Zugang zur Basileia darstellen.

»Keiner kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.« (Mt 6,24par)

»Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurchgeht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.« (Mk 10,25parr)

Mit »Mammon« ist (ohne Abwertung) der Besitz gemeint, die Habe. Der Spruch Mt 6,24par eröffnet eine Alternative, die aufhorchen lässt: Der Ausschließlichkeitsanspruch Gottes wird nicht zu anderen Göttern in Beziehung gesetzt, sondern zum Besitz. Dies ist im Rahmen der jüdischen Tradition ein neuer Akzent (J. Becker). Wer wirklich Gott dient, verachtet seinen Besitz.

Trotz der scharfen Gegenüberstellung bleibt der Spruch im Blick auf Konsequenzen offen: Es wird nicht ausdrücklich zum Besitzverzicht aufgefordert; es wird nicht definiert, was es genauer bedeutet, dem Mammon zu dienen oder ihn gering zu achten. Insofern kann man den Spruch doch als Signal verstehen, der die Prioritäten klärt. Angesichts der Sorge Gottes um seine Geschöpfe, die befreit zu einem auf die Gottesherrschaft ausgerichteten Leben (vgl. Mt 6,25-34par), ist das Bauen auf den Besitz mangelndes Vertrauen auf Gott.

Diese Haltung kann sich dadurch konkretisieren, dass man in der Spur Jesu seine materiellen Sicherungen hinter sich lässt. Dazu konnte Jesus auch auffordern (vgl. Mk 10,17-22). Generellen Besitzverzicht hat Jesus aber offensichtlich nicht verlangt. Dies bedeutet andererseits nicht, dass es Jesus nur um die innere Einstellung zum Besitz ginge, es aber unerheblich sei, ob man viel oder wenig besitze. Diesem stoischen Ideal hängt Jesus nicht an, wie seine Kritik am Reichtum zeigt.nach oben

Das Nadelöhr ist kein Stadttor (und kein Tau)

Der Spruch vom Nadelöhr ist in seiner drastischen Zuspitzung nicht abzuschwächen. Die Deutung des Nadelöhrs auf ein kleines Stadttor in Jerusalem ist erst seit dem Mittelalter belegt; für die Zeit Jesu ist eine solche Bezeichnung nicht nachzuweisen. Diese Deutung zielt klar darauf, den anstößigen Spruch zu mildern – wohl deshalb hat sie sich bis in die Gegenwart hartnäckig gehalten.

Nach einer zweiten Variante ist das »Kamel« durch eine Verwechslung in den Spruch gekommen. Eigentlich sei die Rede vom »Tau« gewesen: Eher geht ein Schiffstau durch ein Nadelöhr ... Da beide Worte im Griechischen gleich ausgesprochen wurden (kamilos), wäre dies zwar prinzipiell denkbar. Doch scheint es sich hier eher um eine Angleichung des Bildfeldes zu handeln. Das Paradoxe des Spruches bliebe im Übrigen auch bei diesem Wortlaut erhalten. Wahrscheinlicher aber ist, dass das größte Tier Palästinas der kleinsten Öffnung gegenübergestellt werden soll.nach oben

Wer kann dann gerettet werden?

Jesus spricht also von der Unvereinbarkeit von Reichtum und Teilhabe am Reich Gottes. Wird der Basileia, die doch nach Jesus auf die Integration aller in Israel ausgerichtet ist, damit eine Grenze von außen gesetzt? Zu denken ist wohl an einen Selbstausschluss: Wer seine Lebenssicherung auf den Reichtum baut, »der bleibt selbst außerhalb des Wirkzusammenhangs der Gottesherrschaft stehen« (J. Becker).

In der Spruchreihe, in der das Logion überliefert ist (Mk 10,23-27parr), ist das Erschrecken noch zu spüren in der Reaktion der Jünger: »Wer kann dann errettet werden?« Dass dieses Problem gelöst wird mit dem Hinweis darauf, dass bei Gott alles möglich sei, könnte sich urchristlicher Verlegenheit angesichts der Reichtumskritik Jesu verdanken. Möglicherweise hat aber auch Jesus selbst gesehen, dass das Reich Gottes sich durchsetzt – auch gegen Widerstände, die sich von menschlicher Seite erheben. Wir finden bei Jesus kein ethisches System, in dem die einzelnen Aussagen, fein aufeinander abgestimmt, ein ausgewogenes Ganzes ergeben. Dazu passt, dass Jesus trotz der herben Kritik am Reichtum nicht grundsätzlich Besitzverzicht gefordert hat.

Besonders das LkEv hat einen starken Akzent auf Kritik an Reichtum und Besitz. Ob allerdings die diesbezüglichen Sondertraditionen in das Wirken Jesu rückführbar sind, ist fraglich (z.B. Lk 12,16-21; 14,33; 16,19-31).nach oben

Kein genereller Besitzverzicht

Unter den Anhängern der Jesusbewegung gab es einen inneren und äußeren Kreis. Nicht alle haben ihr bisheriges Leben hinter sich gelassen, um die Wanderexistenz Jesu zu teilen. Dieses Faktum hat auch seine Spuren in der Jesustradition hinterlassen.

 In Mk 1,29 wird vom Haus Simons gesprochen. Anscheinend hat die Tatsache, dass Simon alles verlassen hat (s. Mk 10,28 und die Antwort Jesu in V.29), nicht dazu geführt, dass der ganze Besitz verkauft wurde. Vielfach wird das Haus Simons in Kapharnaum als Stützpunkt des Wirkens Jesu gesehen.

  • Wenn Jesus als »Fresser und Weinsäufer, Freund der Zöllner und Sünder« galt (Mk 11,19par), so ist daraus zu ersehen, »wie wenig man ihn einfach als rigorosen Vorkämpfer für einen asketisch oder sozialrevolutionär motivierten Konsumverzicht verstehen darf« (W. Schrage, mit Bezug auf M. Hengel). Jesus hat bei der Verkündigung der Basileia auf den Besitz anderer zurückgegriffen, ohne diesen zu kritisieren. In Lk 8,3 ist dies ausdrücklich festgehalten, wenn von Frauen die Rede ist, die Jesus mit ihrem Vermögen unterstützten.
  • Das zeigen auch Jesusworte, die von einem wenigstens bescheidenen Besitz ausgehen:
    1. die Aufforderung zu leihen, auch wenn man nicht auf Rückerstattung hoffen kann (Lk 6,34par);
    2. die Aufforderung, dem Bittenden zu geben und von dem, der »das Deine« nimmt, nichts zurückzufordern (Lk 6,30par);
    3. die Aufforderung, Arme zu Gastmählern einzuladen (Lk 14,12f) oder Notleidenden zu helfen (Mt 25,40);
    4. die Erwartung, die alt gewordenen Eltern zu unterstützen (Mk 7,9-13).
      Jesuanische Herkunft ist wohl nicht in allen Fällen zu sichern; es können sich auch die Verhältnisse urchristlicher Gemeinden spiegeln. Doch ist damit kein grundlegend neuer Zug in die Jesustradition gekommen.

 

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