Bibelstudium
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Warum wurde Jesus verhaftet?

I. Eher unwahrscheinliche Ansatzpunkte  

II. Konflikt um die Bedeutung des Tempels

Bei der Frage nach dem Grund für das Vorgehen gegen Jesus empfiehlt es sich nicht, ordnungspolitische gegen religiöse Motive auszuspielen. Im Palästina des 1. Jh. n.Chr. hing die öffentliche Ordnung wesentlich mit religiösen Vorstellungen zusammen. Werden diese verletzt, droht Unruhe bis zum gewaltsamen Widerstand. 

I. Eher unwahrscheinliche Ansatzpunkte

Gottesreichbotschaft Jesu im Ganzen

Das Vorgehen gegen Jesus spricht nicht dafür, dass Jesus nach dem Muster endzeitlicher Propheten als Störer der öffentlichen Ordnung verfolgt und dingfest gemacht wurde. Zwar war Jesus zur Zeit eines großen Pilgerfestes in Jerusalem, so dass man an einen verstärkten Zulauf denken könnte. Aber die Quellen belegen diesen Zusammenhang letztlich nicht. Jesus konnte als Einzelner festgenommen werden, seine Anhänger zerstreuten sich; niemand mehr trat für ihn ein. Es scheint also eine Zuspitzung in Jerusalem gegeben zu haben, die nicht für das Wirken Jesu im Ganzen typisch ist. 

Prophetische Zeichenhandlungen

Grundsätzlich könnten auch prophetische Zeichenhandlungen in Frage kommen, also der Einzug in Jerusalem (Mk 11,1-11) und die Tempelaktion (Mk 11,15-17). Wären jene Aktionen in diesem Sinn wahrnehmbar gewesen, hätte dies aber zum sofortigen Ende des Wirkens Jesu führen müssen.

  • Den Einzug eines Propheten, der mit königlichen Traditionen verbunden wird (»das kommende Reich unseres Vaters David«: Mk 11,10), hätten die Römer nicht unbeachtet gelassen. Zudem ist in der ältesten Fassung gar kein Einzug in die Stadt geschildert. Erst nach der Huldigungsszene heißt es, dass Jesus in die Stadt gegangen sei (Mk 11,11). 
  • Befürworter der Historizität der »Tempelreinigung« reduzieren das Ausmaß der Aktion, um zu erklären, dass Jesus danach nicht festgesetzt wurde. Doch selbst wenn sich Jesus nur gegen »einige Wechsler und Taubenverkäufer« gewendet hätte, »deren Tische und Stühle er umstürzt« (Joachim Gnilka), wäre mit Tumult im Tempelareal zu rechnen. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Zeichenhandlung, die, um historisch vorstellbar zu sein, so begrenzt sein muss, dass das Zeichenhafte kaum wahrnehmbar ist. nach oben

II. Konflikt um die Bedeutung des Tempels

Die besten Argumente sprechen dafür, dass die Verhaftung Jesu in einem Konflikt um die Bedeutung des Temples begründet ist. 
  • Das Tempelwort (Mk 14,58; 15,29) und die Tempelprophetie (Mk 13,2) geben dafür einen Anhaltspunkt in der Jesustradition. Zwar wird das Tempelwort als Falschzeungis dargestellt und die Verurteilung Jesu in seinem messianischen Anspruch begründet (Mk 14,59-64). Dies dürfte sich aber urchristlicher Perspektive verdanken. Es fällt jedenfalls auf, dass zweimal in der Passionsgeschichte das Tempelwort zitiert wird. Zusammen mit Mk 13,2 kann man durchaus das Kriterium der mehrfachen Bezeugung heranziehen. 
  • Eine endzeitlich begründete Distanz zum Tempel passt in die Verkündigung Jesu (Zusage göttlicher Vergebung ohne Bezug zum Sühnekult). Das Kriterium der Kohärenz greift in diesem Fall. 
  • Der Tempel ist ein ordnungspolitisch relevanter Faktor und zugleich für die Priester von grundlegender theologischer Bedeutung. Ihr Eingreifen gegen Jesus aufgrund einer »Tempelkritik« wäre verständlich, obwohl Jesus keinen Aufruhr verursacht hat. Der kritische Punkt für eine Aktivierung der ordnungspolitischen Aufgabe lag niedriger, weil mit dem Tempel auch das theologische Zentrum der Priesterschaft betroffen ist. Es wäre historisch verkürzt, würde man das Eingreifen des Hohen Rates allein in Fragen von Macht oder Missgunst begründet sehen.


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