Bibelstudium
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Kynismus

I. Charakterisierung

II. Kynismus und Jesusforschung

I. Charakterisierung

Der Kynismus ist weniger eine philosophische Lehre als eine bestimmte Lebensform. Diese unterschied sich programmatisch von den üblichen Wertvorstellungen eines »bürgerlichen« Lebens. Die Kyniker provozierten durch bewusste »Umkehrung geläufiger Werte« (H.-J. Gehrke).

  • Der Mensch soll nicht streben nach Wohlstand, Familie, Anerkennung, Ausübung von Ämtern. Um dies zu demonstrieren, lebten die Kyniker bedürfnislos. Darin äußert sich verdichtet die Selbstgenügsamkeit. Seine Unabhängigkeit von allen äußeren Dingen erweist der Kyniker, indem er tatsächlich fast nichts besitzt. Anders als dem Stoiker genügt dem Kyniker die innere Einstellung nicht.
  • Ziel der kynischen Lebensweise ist, ähnlich wie in der Stoa, die Leidenschaftslosigkeit. Durch nichts soll man sich erschüttern lassen, weder durch ein widriges Geschick noch durch positive Erfahrungen. Zorn und Neid, auch Hoffnung, alle starken Gemütsbewegungen, ebenso die von Epikur hoch bewertete Lust, stehen dem glückseligen Leben entgegen.
  • Das »Programm der Provokation« führte zum Vorwurf der Schamlosigkeit. Doch bezeugt der Stoiker Epiktet eine positive Sicht. Nach seinem Idealbild leistet der Kyniker als Erzieher der Gemeinschaft einen Dienst – notwendig, solange es philosophisch Ungebildete gibt.
  • Die Kyniker versuchen durch Praxis zu überzeugen. Ein eigentliches Lehrgebäude haben sie nicht errichtet. Und so werden auch keine theologischen Vorstellungen als Teil der Welterklärung entwickelt.

II. Kynismus und Jesusforschung

Ähnlichkeiten zwischen Jesusbewegung und Kynismus werden v.a. in der Q-Tradition erkannt (Aussendungsrede, Stellung zum Reichtum, Gebot der Feindesliebe). Jesus wäre Prediger einer bestimmten Lebensweisheit, die sich von den Konventionen der Gesellschaft absetzt. Alles Eschatologische an der Rede vom Reich Gottes wäre zu eliminieren.

Dazu müsste man allerdings die alt-jüdische Tradition außer Acht lassen. Einen solchen Grad hat die Hellenisierung Galiläas sicher nicht erreicht. Ohne Entsprechung bei Kynikern ist die Tatsache, dass Jesus als Gottesverkünder auftritt. Diese Differenz kann man nicht überspringen durch Verweis auf Ähnlichkeiten, die von einer vergleichbaren Lebensweise (Wanderexistenz) herrühren können.


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