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5.3 Lukas

Akzente des Wunderwirkens Jesu nach Lukas / Wunderkritik? / Jesus – der endzeitliche Prophet

 

Für Lukas gehören die Wunder Jesu ganz grundlegend zum Wirken Jesu. Er scheint nicht die Notwendigkeit gesehen zu haben, den Wundertaten Jesu als Gegengewicht die Wortverkündigung oder den Weg zum Kreuz gegenüber zu stellen. Selbstverständlich bietet er beides: Auch der lukanische Jesus tritt auf als Prediger; und er erleidet das Geschick des gewaltsamen Todes am Kreuz. Doch im LkEv ergibt sich nicht der Eindruck, dass dadurch eine Korrektur eines sonst einseitig am Wunderwirken ansetzenden Verständnisses der Person Jesu geleistet werden sollte.

Zwar übernimmt Lukas auch Bausteine des »Messiasgeheimnisses« aus dem MkEv wie Schweigebefehle an Dämonen (Lk 4,41) und Geheilte (5,14). Doch die Vorstellung als ganze hat er (ebenso wenig wie Mt) übernommen, so dass daraus keine Folgerungen für die Einschätzung der Wunder gezogen werden können.nach oben

Akzente des Wunderwirkens Jesu nach Lukas

Das Interesse des Lk an der Wunderüberlieferung zeigt sich vor allem durch drei Beobachtungen

  • Er bietet über seine Quellen Mk und Q hinaus fünf Wundergeschichten. Der reiche Fischfang (Lk 5,1-11); die Auferweckung des Jünglings von Nain (7,11-17); die Heilung der gekrümmten Frau (13,10-17); die Heilung eines Wassersüchtigen (14,1-6); die Heilung der zehn Aussätzigen (17,11-17). Das Summarium zu Frauen in der Nachfolge Jesu (8,1-3) bringt ebenfalls das heilende Wirken Jesu ein.
  • Im Rückblick auf das Wirken Jesu kann Lukas allein auf die Heilungen Bezug neh­men (Apg 2,22; 10,38) oder die Wunder der Wortverkündigung vorordnen (Lk 24,19; Apg 1,1). Offensichtlich hat er keine Sorge, dass dadurch das heilende Wirken Jesu zu sehr in den Vordergrund gerückt würde. Diese Taten Jesu bezeugen, dass Gott mit Jesus war (Apg 10,38). Man muss ihnen nicht mit irgendeinem Vorbehalt begegnen.
  • Berufung und Nachfolge können mit dem Wunderwirken Jesu verbunden werden. So geschieht die Berufung der ersten Jünger im Zusammenhang mit dem reichen Fischfang (Lk 5,1-11). Dass Frauen sich im Gefolge Jesu befinden, wird mit dem Hinweis versehen, Jesus habe sie von bösen Geistern und Krankheiten befreit (8,2). Die Berufung des Levi (5,27f) wird in unmittelbarem Anschluss an die Gelähmtenheilung geschildert, die Notiz über die Lehre Jesu (Mk 2,13) ausgelassen.nach oben

Wunderkritik?

Gegen die vorgetragene Einschätzung vom besonderen Interesse an der Wunderüberlieferung könnte man zwei Einwände vorbringen:

  • Lk übernimmt aus dem MkEv eine summarische Notiz, in der vom Verkündigen Jesu die Rede ist; er streicht aber den bei Mk zu lesenden Verweis auf Dämonenaustreibungen (Mk 1,39; Lk 4,43).
  • Lk lässt vier Wundergeschichten aus dem MkEv aus: Seewandel (Mk 6,45-52); Heilung eines Taubstummen (Mk 7,31-37); Speisung der Viertausend (Mk 8,1-10); Heilung eines Blinden (Mk 8,22-26).

Diese Einwände lassen sich entkräften:

  • Im ersten Fall könnte sich die Auslassung dadurch erklären, dass unmittelbar zuvor ein Summarium die heilende Wirksamkeit Jesu präsentiert (Lk 4,40f) und in 4,42f die Verkündigungstätigkeit dargestellt werden sollte. Der Hinweis auf die Dämonenaustreibungen in Mk 1,39 hinkt auch etwas nach und passt nicht besonders gut in den Zusammenhang.
  • Die fehlenden Wundergeschichten sind alle Teil der »lukanischen Lücke«: Der ganze Zusammenhang Mk 6,45-8,26 fehlt im LkEv. Bisweilen wird dies mit einem defekten Mk-Exemplar des Lk erklärt – da nicht kontrollierbar, eine Verlegenheitsauskunft. Die Speisung der 4000 hat Lk vielleicht als Doppelung übergangen; die Heilung des Taubstummen und des Blinden könnte er deshalb nicht geboten haben, weil sie das hoheitliche Bild beeinträchtigen könnten (auch Matthäus bietet sie nicht). Die Auslassung des Seewandels bleibt allerdings schwierig.
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Jesus – der endzeitliche Prophet

Die positive Bedeutung des Wunderwirkens Jesu für Lk lässt sich in ein christologisches Konzept integrieren. Jesus ist der eschatologische Prophet, der in seinen Taten die biblische Verheißung vom endzeitlichen Heil erfüllt (U. Busse). Erkennbar ist dies vor allem im programmatischen Abschnitt 4,16-30 (Antrittspredigt in Nazaret) sowie im Bezug auf die Wundergeschichtentradition, die an den atl Propheten Elija und Elischa orientiert ist.

  • In der »Antrittspredigt« bezieht sich Jesus auf Jes 61,1f (kombiniert mit Jes 58,6) und erklärt dieses Wort als »heute« erfüllt. In der Folge bringt er die prophetische Tradition ein: zunächst pauschal durch das Sprichwort vom in der Heimat nicht anerkannten Propheten (4,24), dann durch Rückgriff auf die Elija-Elischa-Tradition (4,25-27). Dieser Rückgriff geschieht hier zwar im Horizont der Öffnung zu den Heiden hin; zugleich wird aber auch an die Wunder jener Propheten erinnert: die Auferweckung des Sohnes der Witwe von Sarepta und die Heilung des Syrers Naaman vom Aussatz.

    Da diese Traditionen auch auf die im LkEv greifbare Wundertradition eingewirkt haben (s. nächsten Punkt), ist das programmatische Stück auch für diesen Bereich des lk Jesusbildes auszuwerten. Dass der Evangelist hier die Dimension des Wunderwirkens Jesu einbringen will, wird durch eine weitere Beobachtung gestützt: Auch das Jes-Zitat ist so gestaltet (nach der LXX), dass ein Ansatzpunkt für die Heilungen Jesu gegeben ist (»den Blinden das Augenlicht«).
  • Auf die Traditionen von Elija und Elischa als den profiliertesten menschlichen Wundertätern im AT nehmen besonders lk Wundergeschichten Bezug. Die Auferweckung des Jünglings von Nain (Lk 7,11-17) spielt deutlich auf 1Kön 17,17-24 an; nur Lk kennt eine zweite Erzählung von einer Aussätzigenheilung – neben den Totenerweckungen ein weiterer für den Elija-Elischa-Zyklus kennzeichnender Wundertypus (2Kön 5). Dass ausgerechnet der fremde Samariter dankbar zurückkehrt, erinnert an die Heilung des Syrers in 2Kön 5, der durch die Heilung zum JHWH-Verehrer wird (5,17f).

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