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3.2 Die Neubewertung durch H.-J. Klauck

Allegorie nicht als eigene GattungGeprägte Metaphern im Bildfeld

Allegorie nicht als eigene Gattung

Hans-Josef Klauck bewertete die Allegorie neu, im Rückgang auf antike Rhetorik und neuere Literaturwissenschaft:

  • Jülichers Definition trifft nur auf einen Teil allegorisch ausgerichteter Texte zu: Die Allegorie ist nicht notwendig verhüllend.
  • Allegorie lässt sich nicht als eigene Gleichnisgattung definieren. Sie ist vielmehr eine »rhetorische und poetische Verfahrensweise«, die »Texten eine symbolische Dimension verleiht« (H.-J. Klauck, Allegorie 354).

Dies lässt sich ebenfalls am Beispiel der Adlervision in Ez 17 zeigen.

  • Wer den Text Ez 17,3-10 in seiner Entstehungszeit wahrnahm und die politische Konstellation kannte, auf die die Vision anspielt, konnte die Bildwelt verstehen, auch ohne nachträgliche Lieferung eines Schlüssels (Ez 17,11-21).
  • Diese bildhafte Geschichte unterscheidet sich nicht prinzipiell von dem Grundzug einer Parabel: Ihr liegt ein Zielgedanke zugrunde, der durch die Bildwelt inszeniert wird (Warnung vor einem Pakt mit dem ägyptischen Pharao gegen die Babylonier).

    Allerdings ist der bildhafte Anteil dadurch so hoch, dass einzelne Elemente offensichtlich für etwas anderes stehen. Ein solches Verfahren kann zur Folge haben, dass die Geschichte nicht durch Emotionalität wirkt, sondern Aufmerksamkeit durch Verfremdung weckt. Dieser (an den Texten kaum direkt nachweisbare) Unterschied zur Parabel begründet aber keine eigene Gattung.

Nach dem weiteren Verständnis von Allegorie (nicht als vierte Gattung neben Gleichnis, Parabel und Beispielerzählung) sind also alle Elemente eines Textes allegorisch, die über das wörtliche Verständnis dieses Textes hinausweisen und ihn als bildhafte Aussage kennzeichnen, als gleichnishaften Text.

  • Auch ein Gleichnis im engeren Sinn wie Lk 14,28-32 (s.o.) ist in diesem Sinn allegorisch, eben weil es eine bildhafte Erzählung ist, deren Aussage sich nicht auf das beschränkt, was die Textoberfläche bietet. Der Anteil des Allegorischen ist allerdings weitaus geringer als etwa in der Geschichte von den Adlern in Ez 17 (der Turm bleibt ein Turm und steht nicht für etwas Anderes).nach oben

Geprägte Metaphern im Bildfeld

Gleichnis und Allegorie sind also nicht so grundsätzlich unterschieden wie Jülicher annahm, die absolute Beschränkung auf nur einen Vergleichspunkt ist nicht gerechtfertigt. Weitere Berührungen zwischen Bild und Sache sind aufgrund der Gattung nicht ausgeschlossen.

Solche Berührungen dürfen allerdings nicht im Sinne einer frei schaltenden Auflösung von Bildelementen bestimmt werden. Es muss begründet werden, warum ein bestimmtes Element der Bildebene mit einer bestimmtes Bedeutung versehen sein kann.

Dies ist möglich durch Beachtung des Phänomens geprägter Metaphern, die gewöhnlich nicht für sich stehen, sondern in ein Bündel von Bezügen eingespannt sind: das Bildfeld. Eine Sprach- und Kulturgemeinschaft verfügt über einen überindividuellen Metaphernbestand.

Beispiel: Aus atl Texten lässt sich das Bildfeld von der Hochzeit erheben. Von »Hochzeit« wurde nicht nur in wörtlichem, sondern auch in bildlichem, übertragenen Sinn gesprochen, z.B.:

  • zur Beschreibung des Verhältnisses Jahwes zu Israel (z.B. Jes 54,5; Jer 2,2; Hos 2,4; 3,1),
  • auch im Blick auf die künftige Heilszeit (Jes 62,5).
  • Jubel der Brautleute illustriert das künftige Heil (Jer 33,11),
  • das Ausbleiben dieses Jubels ist Bild für das Gericht (Jer 7,34; 16,9)nach oben

Dies lässt sich auf Mk 2,18f anwenden:

»Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht? Und Jesus sprach zu ihnen: Können die Hochzeitsgäste fasten?«

Liest man die Antwort Jesu im Rahmen des Bildfeldes von der Hochzeit, dann schwingen weitere metaphorische Assoziationen mit. Dann ist nicht einfach von einer normalen Hochzeit die Rede, auf der natürlich nicht gefastet wird; dann ist im Bild von der Hochzeit zugleich ein Hinweis auf den Anbruch der Endzeit enthalten: »Die Jünger brauchen nicht zu fasten, weil die Heilszeit schon angebrochen ist« (H.-J. Klauck, Allegorie 166).

Die Stärke der Theorie vom Bildfeld liegt auch darin, dass sie die Weiterentwicklung bildhafter Elemente einsichtig machen kann. In der oben nichtzitierten Fortsetzung heißt es:

»Können die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?«

Mit dem »Bräutigam« wird offensichtlich auf Jesus angespielt (s. Mk 2,20). Als Bild für den Messias lässt sich »Bräutigam« in der atl-jüdischen Tradition nicht nachweisen. Diese Stelle im Bildfeld war noch offen und wird in der urchristlichen Überlieferung besetzt.

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