Bibelstudium
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4. Vom Schwören

Rekonstruktion / Auslegung

Rekonstruktion

Vor allem drei Gründe sprechen für die Annahme, dass die antithetische Form von Mt 5,33-37 sekundär ist.

  • Jak 5,12 bietet eine Variante des Schwurverbotes, mit deutlichen Anklängen an das Wort aus der Bergpredigt, aber ohne antithetische Form.
  • Der den Alten gesagte Spruch ist nicht, wie in den zuvor besprochenen Fällen, eindeutig auf eine atl Weisung zu beziehen. Es gibt keinen sprachlichen Anklang an eine bestimmte Stelle.
  • Die Formulierung von Mt 5,33 steht jüdisch-hellenistischen sowie heidnisch-hellenisti­schen Texten näher und gehört deshalb eher in die spätere Entfaltung der Jesustradition.

Aus den Übereinstimmungen zwischen Mt 5,34-37 und Jak 5,12 kann folgender Wortlaut rekonstruiert werden:

»Schwört (überhaupt) nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei Jerusalem. Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein.«

Es geht um eine grundsätzliche Ablehnung des Eides. Dies ergibt sich aus dem Verbot, bei Himmel, Erde oder Jerusalem zu schwören. Denn dies waren gängige Ersatzformeln, um das Aussprechen des Gottesnamens beim Schwur zu umgehen. Auch diese Ersatzformeln werden abgelehnt.nach oben

Auslegung

Die Bedeutung dieses scharfen Verbotes kann in zwei Dimensionen entfaltet werden:

  • Im Blick auf das Verhältnis zum Menschen geht es um das Gebot der absoluten Wahrhaftigkeit. In jedem Fall, nicht nur wenn man Gott ausdrücklich zum Zeugen anruft, besteht die Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen.
  • Im Blick auf Gott könnte es um die Heiligung des Gottesnamens gehen, um Gottes Majestät. Diese soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Mensch Gott beansprucht, um die Wahrhaftigkeit seiner Aussagen zu beteuern.

    Dies entspräche dem Zusammenhang, in dem in jüdischer Tradition Kritik am Eid geübt wurde. Jesus ließe sich also einordnen in den Horizont seiner jüdischen Tradition. Außerdem begegnet im Vaterunser die Bitte um Heiligung des Namens Gottes (Lk 11,2/Mt 6,9), so dass das genannte Anliegen durchaus in die Botschaft Jesu zu integrieren ist.

    Aber: Im Wortlaut des Schwurverbots kann man diese Dimension nur dann festmachen, wenn man die ergänzenden atl Anspielungen in Mt 5,35f für ursprünglich hält. Dies wird meist abgelehnt. Die vorgestellte Möglichkeit ist also nicht zu sichern und lässt Raum für einen weiter gefassten theologischen Bezug: Der Mensch ist deshalb zu absoluter Wahrhaftigkeit verpflichtet,
    • weil er angesichts der angebrochenen Gottesherrschaft beständig in der Situation steht, dass Gott sein Zeuge ist (J. Gnilka);
    • weil er im Verhalten zum Nächsten das vorbehaltlose Ja Gottes spiegeln soll (R. Hoppe).

Auch das Schwurverbot hat etwas Radikales, Unrealistisches. Es kümmert sich nicht um die positive Bedeutung des Eides etwa vor Gericht, sieht nicht »das Hilfreiche eines Eides in einer Welt, die so ist wie sie ist« (J. Becker). Dies verbindet den Spruch mit anderen Worten der ethischen Weisung Jesu und kann so gerade in der Anstößigkeit ein Hinweis auf Ursprünglichkeit sein.

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