Prinzipien römischer Machtausübung
I. Zwei unterschiedliche Organisationsformen II. Sonderfall Judäa
III. Unterschiedliche Herrschaftsformen in Palästina
I. Zwei unterschiedliche Organisationsformen
Die Römer haben in den eroberten Gebieten gewöhnlich die Oberschicht in die Verwaltung eingebunden. Dies konnte im 1. Jh. grundsätzlich auf zwei Arten geschehen.
(1) Sie setzten einheimische Klientelherrscher ein, denen sie zutrauten, die jeweilige Region im Sinne Roms zu regieren, und das hieß: die Ordnung aufrecht zu erhalten, die Grenzen zu sichern und für Abgaben an Rom zu sorgen.
- Nach diesem Modell war Herodes der Große rex socius et amicus populi Romani (»verbündeter König und Freund des römischen Volkes«). Drei seiner Söhne teilten sich nach seinem Tod sein Herrschaftsgebiet: Herodes Antipas, Archelaos und Philippus.
(2) Die Römer machten ein unterworfenes Gebiet zu einer römischen Provinz, an deren Spitze ein römischer Beamter als Statthalter stand. Dies ist mit dem Herrschaftsgebiet des Herodessohns Archelaos geschehen, der sich als Herrscher nicht bewährte. Deshalb wurde Judäa (zusammen mit Samaria im Norden und Idumäa im Süden) im Jahr 6 n. Chr. aus dem System der Klientelherrschaft herausgenommen.
- Diese Organisationsform bot für die lokale Oberschicht größere Mitwirkungsmöglichkeiten als das System von Klientelherrschern. Diese konnten gerade in den traditionellen Eliten eine Gefahr für ihre Herrschaft erkennen, weshalb Herodes der Große seine Macht dadurch zu sichern suchte, dass er Angehörige der zuvor herrschenden Hasmonäerdynastie und deren Anhänger umbringen ließ.
- Der Statthalter hatte militärische Gewalt, er war oberster Gerichtsherr und hatte die Kontrolle über das Finanzwesen, also die Erhebung und Eintreibung von Steuern, in der er freilich die lokale Oberschicht einbinden konnte. nach oben
II. Sonderfall Judäa
Bis zum Ende des Jüdisch-Römischen Krieges im Jahr 70 war Judäa der Provinz Syrien angegliedert, also keine selbständige Provinz. Entsprechend wurde kein Statthalter im eigentlichen Sinn eingesetzt, sondern ein »Präfekt«. Er blieb dem syrischen Legaten untergeordnet, der als Statthalter der Provinz Syrien ohne Weiteres in Judäa eingreifen konnte. Das Herrschaftsgebiet des Archelaos wurde unmittelbar in das römische Herrschaftssystem eingeordnet, aber nicht zur Provinz gemacht (W. Eck).nach oben
III. Unterschiedliche Herrschaftsformen in Palästina
Damit war zur Zeit Jesu die Herrschaft im jüdischen Siedlungsgebiet unterschiedlich organisiert:
- Die Heimat Jesu, Galiläa, unterstand weiterhin einem Klientelherrscher, Herodes Antipas (ebenso das nördliche Ostjordanland, über das Philippus herrschte),
- Judäa mit Jerusalem war Teil einer römischen Provinz und somit einem römischen Statthalter unterstellt.
Damit war die Konstellation gegeben, die den Prozess gegen Jesus bestimmt, wie ihn die Evangelien schildern: ein Zusammenwirken von jüdischer und römischer Obrigkeit. Entscheidendes Organ jüdischer Selbstverwaltung war der Hohe Rat in Jerusalem.