Bibelstudium
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1.3 Zur Bedeutung von Ps 22

Der deutlichste Bezug: Ps 22,2 findet sich im Gebet des sterbenden Jesus: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Mk 15,34)

  • Dadurch wird Jesus dargestellt als der leidende Gerechte; die Erniedrigung am Kreuz erweist nicht seine Schuld, denn wie der Beter von Ps 22 wird auch Jesus von Gott errettet – zwar nicht vor dem Tod, aber aus dem Tod.
  • Erkennt man den Ruf der Gottverlassenheit als Zitat, dann eröffnet sich gerade in ihm der Blick darauf, dass Jesus nicht verlassen ist von Gott. Die Erniedrigung Jesu am Kreuz wird nicht überspielt, sondern ernst genommen. Zugleich wird in jenem Schrei auch die Gewissheit der Erhörung wachgerufen – jedenfalls wenn man die Worte nicht für sich betrachtet, sondern als Zitat aus Psalm 22.

Weitere Bezüge auf Ps 22 sind in der Verteilung und dem Verlosen der Kleider zu finden (Mk 15,24; s. Ps 22,19). Mt greift in 27,43 auf Ps 22,9 zurück, Lk in der Verspottungsszene 23,35 auf Ps 22,8.

Möglichweise wird auch in folgenden Zusammenhängen auf Ps 22 angespielt:

  • Verspottung des Gekreuzigten (Ps 22,7b);
  • das Schütteln des Kopfes (wenn man es nicht als geprägtes Motiv auffasst, Ps 22,8);
  • Kreuzigung mit zwei Räubern (wenn man nicht eine Anspielung auf Jes 53,12 erkennt, Ps 22,17a)

Die Abfolge der Bezüge stimmt nicht überein mit der Abfolge der Aussagen im Psalm. Die Passionsschilderung ist also nicht aus diesem Psalm erwachsen. Den Hörern der Passionsgeschichte wird dadurch der Sinn des Geschehens eröffnet: Die Passion Jesu ist zu verstehen nach dem Muster des leidenden Gerechten. Geschichte und Deutung durchdringen sich.

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