Bibelstudium
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Textkritik

I. Aufgabe   II. Die Handschriften   III. Methode   IV. Relevanz

I. Aufgabe

Die ursprünglichen biblischen Texte liegen uns heute nicht mehr vor. Wir besitzen nur Abschriften, die sich jedoch in vielen Punkten unterscheiden (abweichende Lesarten). Die Disziplin der Textkritik versucht aus den vorhandenen Handschriften diejenige Textform zu rekonstruieren, die dem Urtext möglichst nahe kommt.

II. Die Handschriften

Glücklicherweise bestand im frühen Christentum offenbar ein großes Interesse, die neutestamentlichen Texte zu kopieren (liturgische Verwendung, Sammlungen, weitere Redaktionen). Zwar hatte das zur Folge, dass sich viele Fehler und unterschiedliche Fassungen ausgeprägt haben, jedoch ergibt sich durch die Vielzahl der Handschriften auch die Möglichkeit der Rekonstruktion des möglichst ursprünglichen Textes. Die kritische Ausgabe des Neuen Testaments von Nestle-Aland teilt die griechischen Handschriften folgendermaßen ein:

  1. Papyri
    Einteilung nach dem Beschreibstoff. Bei Papyri handelt es sich um sehr alte, bis ins 2. Jahrhundert zurückreichende Textzeugen mit einem sehr hohen Textwert. Ein Nachteil ist ihr fragmentarischer Charakter, sodass viele strittige Fragen ausschließlich an jüngeren Handschriften entschieden werden müssen.
  2. Majuskeln
    Einteilung nach der Schreibweise. Majuskeln sind in der Regel Pergamenthandschriften, die in Großbuchstaben (= Majuskeln) verfasst sind. Am bekanntesten sind dabei die großen Codices aus dem 4. und 5. Jahrhundert (Sinaiticus, Alexandrinus, Vaticanus, Ephraemi Syri rescriptus und Bezae Cantabrigiensis), die bei der Rekonstruktion des neutestamentlichen Textes von unermesslichem Wert sind.
  3. Minuskeln
    Einteilung nach der Schreibweise. Im 9. Jahrhundert setzen sich die sog. Minuskeln durch, d.h. Texte mit Kleinbuchstaben, Worttrennungen, Satzzeichen und Akzenten. Trotz ihres geringen Alters sind sie sehr bedeutend für die Textrekonstruktion.
  4. Lektionare
    Einteilung nach der Funktion. Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Lektionare verwiesen. Nur in seltenen Fällen sind sie von textkritischer Bedeutung. Lektionare sind für den Gottesdienst erstellte Handschriften, die wie auch heute noch den Text in der gottesdienstlichen Leseordnung bieten.nach oben

III. Methode

Es gilt den qualitativ besten Text herauszuarbeiten. Daher werden die Handschriften möglichst umfassend miteinander verglichen. Hierfür hat die Forschung ein differenziertes Regelwerk erarbeitet, mit dessen Hilfe abgewogen wird, welche Variante am ursprünglichsten ist:

  1. Die bestbezeugte Lesart ist ursprünglich (es geht um die Textqualität, nicht allein um Quantität – siehe insbesondere Regeln (2) und (3).

  2. Die Verwandtschaft der Handschriften ist zu berücksichtigen.

  3. Zeugengruppen sind gegeneinander abzuwägen.

  4. Paralleleinfluss und (bei AT-Zitaten) Einfluss der Septuaginta ist zu berücksichtigen.

  5. Zusammenhängende Lesarten müssen beachtet werden.

  6. Die schwierigere Lesart (lectio difficilior) ist ursprünglich.

  7. Die kürzere Lesart (lectio brevior) ist ursprünglich.

  8. Die bevorzugte Lesart muss in Einklang mit dem Kontext stehen.

  9. Aus der bevorzugten Lesart müssen sich die Varianten erklären lassen.

  10. Konjekturen sind möglichst zu vermeiden.nach oben

IV. Relevanz

In den meisten Fällen kann man sich auf den kritischen Text von Nestle-Aland verlassen, der mittlerweile in der 28. Auflage vorliegt und vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster herausgegeben wird. Jedoch können nicht alle Entscheidungen eindeutig getroffen werden; man kann sich auch begründet für einen abweichenden Text entscheiden.nach oben


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