Bibelstudium
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7.2 Auslegung – Sämann / Deutung

Die unterschiedlichen HörerDie Intention der Deutung

Grundsätzlich geht es um das Schicksal des Wortes bei verschiedenen Hörern, deren Differenz bildlich im unterschiedlichen Boden dargestellt wird. Dabei besteht, wie oben gesehen, eine bildliche Inkongruenz bzw. eine Auffälligkeit:

  • Das Ausgesäte ist zum einen das Wort (V.14), dann aber auch der Hörer des Wortes (VV.15-20). So konnten, anknüpfend an die oben genannten metaphorischen Prägungen (erster und vierter Punkt), die unterschiedlichen Reaktionen auf die Verkündigung eingebracht werden.
  • Der Sämann wird nicht übersetzt. So können sich in ihm auch die urchristlichen Verkünder entdecken.

Die unterschiedlichen Hörer

Das unterschiedliche Geschick des Samens auf unterschiedlichem Boden, das im Gleichnis auf den Kontrast von Misserfolg und dem trotzdem schon in der Aussaat begründeten letztlichen Erfolg angelegt war, wird in der Deutung Zug um Zug gleichgesetzt mit dem unterschiedlichen Geschick der Verkündigung bei verschiedenen Hörern.

  • Zunächst ist die Außenperspektive bestimmend: Es geht um die diejenigen, die vom Wort der Verkündigung innerlich gar nicht erreicht werden (zu Satan als »Hinderer« s.a. 1Thess 2,18; 3,5). Auf der Erzählebene des MkEv ist vor allem an die Gegner Jesu zu denken, die gegen sein Auftreten protestieren (Ludger Schenke). Es können aber auch entsprechende Erfahrungen, wie sie etwa in der Areopag-Szene in Apg 17 eingefangen sind, bei den Adressaten des Evangeliums ohne Weiteres wachgerufen werden. Darin liegt die Stärke der auch in der Deutung relativ offen bleibenden Metaphorik.
  • Danach sind diejenigen im Blick, die die Verkündigung annehmen und zur Gemeinde gehören, denen aber angesichts von Bedrängnis und Verfolgung das Durchhaltevermögen fehlt. Bedrängnis und Verfolgung verheißt Jesus denen, die ihm nachfolgen (Mk 13,9-13). Er fordert auf zur Kreuzesnachfolge (8,34). Die Deutung des Sämanns-Gleichnisses verleiht diesen Ausführungen insofern ein besonderes Profil, als sie in ein Raster möglicher Fehlformen der Reaktion auf Jesu Botschaft bzw. das Evangelium eingebettet erscheinen: Im Ergebnis unterscheidet sich dieses Scheitern nicht von anderen kritisch betrachteten Reaktionen, es kommt nicht zur Ausbildung der Frucht.
  • Das Verhaftetsein an diese Welt führt bei der dritten Gruppe von Hörern (VV.18f) dazu, dass das Wort erstickt und fruchtlos bleibt. Als Gründe sind genannt:
    • die Sorgen der Welt,
    • Verführung durch Reichtum,
    • Begierde nach den übrigen Dingen.

      Die hier verwendeten Begriffe spielen im MkEv keine besondere Rolle, allein die Warnung vor dem Reichtum findet sich in 10,23-27 – im Zusammenhang der Erzählung von einer Nachfolge, die wegen des Reichtums scheitert (10,17-22). Dies ist aber nicht nur eine Gefährdung, die Außenstehende betrifft, sondern reicht auch in die Reihen der Glaubenden herein.
  • Erst bei der letztgenannten Gruppe trifft das Wort auf Hörer, die es aufnehmen und Frucht bringen in verschiedenem Maße. Die Deutung bleibt knapp. Es wird nicht ausgeführt, was die sich steigernde Zahlenreihe (30, 60, 100) in der Sache bedeutet. Auch was es heißt, »Frucht zu bringen«, wird nicht gesagt. Das Bild bleibt (wie auch die bildhaften Ausdrücke »Wurzel« und »ersticken«) unübersetzt.

    Durch diese metaphorisch bleibende Sprechweise, die zu »Frucht bringen« häufig in der urchristlichen Überlieferung begegnet, ergibt sich ein weites Bedeutungsspektrum der wirklichen, dauerhaften Aufnahme des Wortes.

Misserfolg und Erfolg der Verkündigung werden also einander gegenübergestellt, allerdings nicht in der kontrastierenden Zuspitzung, auf die das Gleichnis angelegt war. Dadurch, dass drei Mal der Misserfolg der Verkündigung verzeichnet wird, erhält dieser sogar ein gewisses Übergewicht gegenüber dem Erfolg – im Vergleich zum Gleichnis ein neuer Akzent.nach oben

Die Intention der Deutung

Aus dieser Ausrichtung der Deutung kann man auf ein zweifaches Anliegen schließen.

  • Ermutigung und Trost: Der urchristliche Missionar kann angesprochen sein, er soll trotz Fehlschlägen nicht resignieren.
  • Ermahnung: Der Hörer, v.a. der neu zum Glauben Gekommene, wird aufgefordert, seine Stellung zu überprüfen: Zu welcher Gruppe von Hörern gehöre ich, bringe ich wirklich Frucht, oder bin ich dabei, das Wort in mir ersticken zu lassen, bei Bedrängnissen den Glauben fallen zu lassen?

    Angesichts des Vokabulars, das aus der urchristlichen Paränese bekannt ist (Bedrängnis, Verfolgung, Sorgen, Gefahr durch Reichtum, Begierde), kann der ermahnende Unterton kaum überhört werden.

Weiter zum Anhang: »Erzählgesetze der Parabel«


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