Bibelstudium
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Anhang: Erzählgesetze der Parabel (nach Rudolf Bultmann)

Knappheit der Erzählung / Direkte Rede und Selbstgespräch / Das Gesetz der Wiederholung / Die Dreizahl / Das Gesetz der »Achtergewichts«

(1) Knappheit der Erzählung

  • Es treten nur Personen auf, die für die angezielte Aussage notwendig sind.

    Andere Figuren, die zwar vom gewählten Bild her eine Rolle spielen müssten, erscheinen doch nicht in der Erzählung, wenn ihnen keine Funktion im Blick auf die Pointe zukommt (etwa: die Mutter des verlorenen Sohnes [Lk 15,11-32]; die Frau des in der Nacht geweckten Freundes [Lk 11,5-8]).
  • Das Personeninventar ist in den Hauptrollen prinzipiell auf drei begrenzt, überwiegend treten nur zwei Hauptpersonen auf.

    Sie können auch als Gruppen erscheinen, die sich gegenüberstehen. Dabei kann eine Gruppe völlig geschlossen sein (z.B. die Winzer im Gleichnis von den bösen Winzern) oder sich auch in verschiedene Teile auffächern, die aber in (mehr oder weniger) gleichem Sinne agieren (wie die zum Festmahl Geladenen, die alle ablehnen).
  • Nur selten werden die auftretenden Personen durch ein Attribut ausdrücklich charakterisiert (wie z.B. der Richter in Lk 18,2, der Gott nicht fürchtet). Häufiger geschieht die Charakterisierung der Personen durch die Beschreibung ihres Handelns oder durch eine in der Handlung auftretende Person.

    Nebenpersonen werden nur ganz selten charakterisiert (so erfahren wir z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter nichts über den überfallenen Wanderer).
  • Empfindungen und Handlungsmotivierungen werden nur geschildert, wenn sie für die Pointe wichtig sind.

    Warum etwa der (verlorene) Sohn die Auszahlung des Erbteils fordert, erfährt der Hörer nicht. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der Weinbergbesitzer in Mt 20,1-16 so viele Arbeiter nötig hat. Auch die Schilderung der Vorgänge und Handlungen selbst ist beschränkt auf das Notwendige (z.B. Lk 16,1-8: wie der Verwalter das Vermögen seines Herrn verschleudert hat, wird nicht gesagt). Was erzählt wird, wird aber konkret gezeichnet (z.B. die Höhe der Schulden in Mt 18,23-35 – grundlegend wichtig für die Geschichte).
  • Der szenische Aufbau ist bestimmt durch
  1. das Gesetz der szenischen Zweiheit:
    Immer nur zwei Personen (bzw. Gruppe als Person) reden und handeln gleichzeitig. Sind in der Szene noch andere Personen anwesend zu denken, so greifen sie doch nicht ins Geschehen ein und sind nur Statisten.
  2. die Einsträngigkeit der Erzählung:
    Zumindest in der ursprünglichen Fassung von Parabeln kommen nicht zwei gleichzeitig sich abspielende Vorgänge in den Blick. Es wird aus der Perspektive einer Person erzählt. Zwar kann die dafür gewählte Person im Verlauf eines Gleichnisses wechseln (z.B. in Mt 18,23-35), aber es ergibt sich durch diesen Perspektivenwechsel keine zeitliche Überschneidung zweier Szenen.nach oben

(2) Direkte Rede und Selbstgespräch

Durch diese Mittel wird die Erzählung lebendiger. Beispiele für direkte Rede erübrigen sich, Monologe sind etwa im Gleichnis vom ungerechten Verwalter zu finden (Lk 16,1-8) oder im Gleichnis vom ungerechten Richter und der Witwe (Lk 18,2-8).

(3) Das Gesetz der Wiederholung

Wörtliche Wiederholung findet sich z.B. in Mt 18,26.29 oder Lk 15,18f.21. Dieses Erzählgesetz wirkt auch dort, wo sich dieselben Verhaltensweisen wiederholen, ohne dass wörtliche Übereinstimmung in der direkten Rede gegeben ist, wie z.B. in den ablehnenden Antworten der geladenen Gäste (Lk 14,18-20).

(4) Die Dreizahl

Sie spielt eine besondere Rolle in volkstümlichem Erzählen (und ist etwa auch aus Märchen gut bekannt). So kommen zu dem von den Räubern überfallenen Menschen drei Männer (Lk 10,30-33), entschuldigen sich im Gleichnis vom großen Gastmahl (als Beispiel für alle) drei der Eingeladenen (Lk 14,18-20), wird das Geld drei Dienern anvertraut (Mt 25,15).

(5) Das Gesetz der »Achtergewichts«

Ihm zufolge soll das am Ende einer Geschichte Erzählte betont werden, wird das Wichtigste zuletzt erzählt. Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten, das einen mahnenden Grundton trägt, wird deshalb der Knecht, der falsch gehandelt hat, erst als dritter vor den Herrn geführt. Eine andere Reihenfolge würde die erfolgte Rüge (Mt 25,26-28) wesentlich abschwächen.

Weiter zu »Die Bergpredigt (insbesondere die Antithesen)«


Servicebereich