Zwischen Damaskus und Antiochia
I. Die Angaben des Galaterbriefes II. Erste Missionsreise
III. Das Apostelkonzil IV. Antiochenischer Konflikt
Für das paulinische Wirken als Heidenmissionar sind zwei Phasen zu unterscheiden:
- die Zeit vom Damaskusereignis bis zum antiochenischen Zwischenfall, für die neben sehr knappen paulinischen Notizen nur die Apostelgeschichte Auskunft gibt;
- die Zeit der selbstständigen Mission des Paulus, aus der alle Briefe des Paulus stammen.
I. Die Angaben des Galaterbriefes
Relativ sichere Auskünfte geben uns nur die Angaben in Gal 1 und 2, die Auskünfte der Apg lassen sich kaum verifizieren und sind daher mit äußerster Zurückhaltung zu bewerten. Folgende Angaben lassen sich aus dem Galaterbrief erheben:
- Aufenthalt in der Arabia und in Damaskus nach der Berufung;
- Erster Gang nach Jerusalem für zwei Wochen, rund 3 Jahre nach der Berufung, dann Fortzug nach Syrien und Kilikien;
- Zweiter Gang nach Jerusalem zum Apostelkonzil rund 14 Jahre nach dem ersten Besuch;
- Aufenthalt des Petrus in Antiochia.nach oben
II. Erste Missionsreise
In diese Zeit fällt die sogenannte »erste Missionsreise«, wie sie in der Apostelgeschichte dargestellt wird. Paulus ist noch nicht als eigenständiger Missionar tätig, sondern steht im Schatten anderer Missionare. Ausgehend von Antiochia in Syrien bereist Paulus die Städte Salamis und Paphos auf Zypern und einige Städte in Kleinasien (Paphos, Attalia, Antiochia in Pisidien, Ikonium, Lystra, Derbe und Perge), um schließlich über Seleukia wieder nach Antiochia zurückzukehren.
Andere Quellen bieten keine direkte Bestätigung für diese Missionsreise. Die Darstellung der Apostelgeschichte ist zudem sehr geprägt von schriftstellerischen Ideen des Lukas; das missionarische Interesse der antiochenischen Gemeinde jedoch steht außer Frage, sodass die Mission von Antiochia aus als historisches Faktum anzunehmen ist. Paulus tritt während dieser Zeit noch nicht selbständig als Wortführer auf, sondern wird als Begleiter des Barnabas bzw. Mitglied der antiochenischen Gemeinde dargestellt.nach oben
III. Das Apostelkonzil
Im Verlauf dieser missionarischen Tätigkeit bekommt es Paulus – wie auch alle anderen Missionare – immer mehr mit der Frage zu tun, auf welche Weise Heiden in die christliche Heilsgemeinschaft aufgenommen werden sollten. Noch hatte sich das Bewusstsein einer eigenständigen Religion nicht herausgebildet, die Missionare betrachteten sich weiterhin als Juden. Allerdings waren sie uneins, zu welchen Bedingungen Heiden in die entstehenden Gemeinden aufgenommen werden konnten. Zu identifizieren sind in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Positionen:
- Heiden können in die Gemeinde aufgenommen werden, wenn sie sich auf die Tora verpflichten, wie es auch Proselyten taten, die den Übertritt zum Judentum vollzogen.
- Entscheidend ist allein das Bekenntnis zu Jesus Christus, eine weitere Bedingung ist für die Rettung nicht zu befolgen. Wahrscheinlich steht im Hintergrund dieser Position die Vorstellung, dass das Gottesvolk sich endzeitlich um die gläubigen Heiden erweitert, die mit dem Bekenntnis zu Christus ja auch den Gott Israels anerkennen.
Es unterscheiden sich folglich die Positionen hinsichtlich der Tragweite des Christusereignisses für das endzeitliche Geschehen. Die Frage nach einer neuen Religion dagegen entwickelt sich frühestens Ende des ersten Jahrhunderts nach dem endgültigen Auseinanderdriften von Judentum und Christentum.
Paulus vertritt die Position, dass bekehrte Heiden sich dem jüdischen Gesetz nicht unterstellen müssen (genauer sogar: nicht dürfen). Daher kommt es bald zum Konflikt mit anderen Missionaren, die der gegenteiligen Auffassung sind. Das sogenannte Apostelkonzil wurde einberufen, um diese Frage zu erörtern. Die Ergebnisse stellt Paulus im Gal folgendermaßen dar:
- Die Heidenmission wird ohne Auflagen bejaht, zur Unterstützung der Gemeinde in Jerusalem wird eine Kollekte vereinbart.
- Die Missionsgebiete werden aufgeteilt: Paulus / Barnabas missionieren weiterhin die Heiden, die »Säulen« Jerusalems (Gal 2,9) missionieren unter den Juden.nach oben
IV. Antiochenischer Konflikt
Auch wenn Paulus die Beschlüsse des Apostelkonzils in der für ihn passenden Zuspitzung präsentiert, so kann er es sich in der Situation des Galaterbriefs nicht leisten, falsche Angaben über den Ausgang zu treffen. Dass die in Jerusalem gefundene Lösung nicht alle in der Praxis auftretenden Fragen gelöst hat, zeigt der antiochenische Zwischenfall.
Anlass des Konfliktes war die Kritik des Jakobus an der Tischgemeinschaft des Petrus mit Heidenchristen. Jakobus akzeptierte zwar die gesetzesfreie Heidenmission, sah die Judenchristen aber weiterhin an die Tora gebunden. Die Frage, wie Juden- und Heidenchristen in einer Gemeinde miteinander leben können, war auf dem Apostelkonzil mit seiner Aufteilung der Missionsgebiete offensichtlich nicht geklärt worden. Die Praxis erweist, dass zu den oben genannten zwei Positionen eine dritte hinzuzunehmen ist: Heiden können als Heiden aufgenommen werden; Judenchristen dürfen aber ihren Tora-Gehorsam nicht relativieren.
Das Einlenken des Petrus sowie des Barnabas Jakobus gegenüber irritiert Paulus und führt zum Konflikt, was wohl schließlich auch zur Trennung von Paulus und Barnabas führt. Über den Ausgang dieses Konfliktes berichtet Paulus selbst nichts, was dafür spricht, dass er sich nicht durchsetzen konnte.
Die aufgebrochenen Streitfragen werden Paulus bei seiner weiteren Missionsarbeit immer wieder einholen.