Bibelstudium
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Botschaft für Israel

I. Die Sammlung ganz Israels   II. Der Vorbehalt gegenüber Heiden   III. Relativierug der Grenze

I. Die Sammlung ganz Israels

Bereits bei der Kennzeichnung der Basileia-Botschaft als Vergebungsbotschaft hat sich gezeigt, dass die Öffnung zu den Sündern der Sammlung Israels dient. Wer am Rand steht oder ausgeschlossen scheint, soll wieder in die Mitte des Gottesvolkes zurückfinden. Diese Ausrichtung auf ganz Israel wird besonders profiliert durch die Berufung von Jüngern bzw. der Zwölf. Beide Größen, der weitere Kreis von Jüngern wie auch die Gruppe der Zwölf, haben besondere Bedeutung für diesen Anspruch auf ganz Israel (Näheres dazu unter Nachfolge und Jüngerschaft). Die Vorstellung vom »Heiligen Rest«, in dem allein noch das Gottesvolk verwirklicht ist, hat in Jesu Botschaft keinen Platz.

Allerdings stellt sich die Frage, ob die Sammlung Israels nicht doch exklusiven Charakter hat – im Blick auf die Heiden. Die Frage ist in einem ersten Schritt eindeutig zu bejahen; in einem zweiten Schritt muss dies aber etwas relativiert werden.nach oben

II. Der Vorbehalt gegenüber Heiden

Jesus hat nicht unter den Heiden gewirkt und seine Botschaft nicht an sie gerichtet. Möglicherweise hat Jesus die Grenzen des Landes Israel verlassen. In den synoptischen Evangelien ist das Wirken in Tyrus und Sidon, Gerasa und Caesarea Philippi erwähnt, also außerhalb des jüdischen Siedlungsgebiets. Sollte Jesus tatsächlich dort gewirkt haben, dann hat er sich wahrscheinlich an die dort als Minderheit lebende jüdische Bevölkerung gewandt.

Gerade im Zusammenhang mit Tyrus und Sidon ist eine Erzählung überliefert, die die Beschränkung auf Israel bezeugt. Zunächst schlägt Jesus die Bitte einer heidnischen Frau um Heilung ihrer Tochter ab, weil es nicht recht sei, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden zu geben (Mk 7,27). Hier werden im Bild deutlich negative jüdische Urteile über die Heiden umgesetzt. Erst die Schlagfertigkeit der Frau bringt Jesus zur Sinnesänderung (»auch die Hunde erhalten von dem, was unter die Tische fällt«: 7,28).

Unabhängig von der Frage, ob diese Episode einen konkreten historischen Haftpunkt im Wirken Jesu hat, ist festzustellen: es gibt keine Traditionen, in denen Jesus vorbehaltlos seine Botschaft an Heiden gerichtet hätte. Denn diese wären im Laufe der Überlieferung nach Ostern mit der Öffnung zur Heidenmission sicher nicht verloren gegangen. So gibt es tatsächlich nur eine Geschichte, die Jesus vorbehaltlos unter Heiden wirken lässt: die vom Besessenen von Gerasa (Mk 5,1-20).

Auch die Begegnung Jesu mit dem Hauptmann von Kapharnaum (ursprünglichere Version wohl in Mt 8,5-13) passt in das gezeichnete Bild. Denn wahrscheinlich ist 8,7 als ablehnende Frage zu lesen: »Und ich soll kommen und ihn heilen?« Als Jude betritt Jesus kein heidnisches Haus. Dies motiviert jedenfalls am besten die Reaktion des Hauptmanns: Sein Vertrauen in Jesus ist so groß, dass er ihm die Fernheilung zutraut und Jesus zu verstehen gibt, dass er sein Haus gar nicht betreten müsse (»Herr, ich bin ich nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach ...«: 8,8). Mit diesem Vertrauensbeweis überwindet der Hauptmann die ablehnende Haltung Jesu wie auch die syrophönizische Frau in Mk 7,28.nach oben

III. Relativierug der Grenze

Es gibt also Überlieferungen, in denen die Grenze zwischen Israel und Heiden relativiert wird. Dies könnte in Zusammenhang stehen mit Jesusworten, in denen die Verbindung der Basileia mit Heiden als Mahnung an Israel eingesetzt zu sein scheint: 

  • der Spruch von denen, die aus dem Osten und Westen kommen und mit Abraham und den übrigen Vätern zu Tisch liegen im Reich Gottes (Mt 8,11) – und zwar im Gegensatz zu den eigentlichen Heilserben, also dem Volk Israel (andere Auslegungen deuten auf die Gegenüberstellung von Juden aus dem Land Israel und der Diaspora [=aus Osten und Westen]); 
  • das Gleichnis vom großen Gastmahl (Lk 14,16-24) weist in seiner Grundstruktur auf die Herbeiholung von ursprünglich nicht »geladenen Ersatzgästen«. Diese lassen sich angemessen nur auf die Heiden beziehen.

Diese Relativierung der Grenze zu den Heiden besagt nicht ihre Aufhebung. Eigentlicher Adressat der Botschaft Jesu bleibt Israel, gerade im Zusammenhang des drohenden Verlustes der Basileia. Doch erscheint es, falls Israel sich verweigert, nicht ausgeschlossen, dass Gott sein Reich den Heiden zuwendet. Dass Jesus eine solche Sicht möglicherweise bereits bei Johannes dem Täufer kennengelernt hat, kann die hier vertretene Interpretation bestärken: In Q3,8 wird im Rahmen der Täuferpredigt der Gedanke zurückgewiesen, man könne sich auf die Herkunft von Abraham berufen. Gott kann seine Verheißung an Abraham auch an Israel erfüllen, »dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken« (Mt 3,9).