Bibelstudium
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Der Anspruch der Gottesherrschaft

I. Indikativ vor Imperativ   II. Das Gleichnis vom unbarmherzigen Schuldner (Mt 18,23-35)

III. Gerichtsmahnung   IV. Inhaltliche Entfaltung der Umkehrforderung

 

I. Indikativ vor Imperativ

Diese Zuwendung Gottes zu den Menschen (s. hier) fordert eine Antwort der Menschen, die sich in der Umkehr von den Sünden zeigt. Dies ist freilich der zweite Schritt. Die Liebe Gottes geht dem menschlichen Tun voraus; Jesus verkündet die Annahme des Sünders durch Gott, aus der sich die Umkehr als Konsequenz ergibt. Diesen Grundzug kann man in die Formel fassen: »Indikativ vor Imperativ«, d.h. Heilszusage vor der Forderung.nach oben

II. Das Gleichnis vom unbarmherzigen Schuldner (Mt 18,23-35)

Umfang und Aufbau

Dieses Gleichnis illustriert den zuletzt genannten Zusammenhang. Die eigentliche Gleichniserzählung endet in V.34, danach folgt eine Anwendung – häufig eine sekundäre Zutat in Gleichnissen. Dass auch der tragische Schluss (»der Herr übergab ihn den Folterknechten«) nicht ursprünglich sei, lässt sich literarisch nicht begründen.

  • Wenn der König noch einmal auftritt, dann ist erzählerisch eine Reaktion gefordert, die über die rhetorische Frage in V.33 hinausgeht. So scheint eine Abtrennung von V.34 vor allem darin begründet zu sein, dass man Jesus die Rede vom Gericht in dieser harten Form nicht zutraut oder nicht zusprechen will.

Die Erzählung ist deutlich in drei Teile gegliedert, die durch den Wechsel des Ortes und der Personen angezeigt sind.

  •  Die erste Szene (VV.23-27) führt den König als Gläubiger ein, der im Rahmen einer grundlegenden Abrechnung auf einen Schuldner trifft, dessen riesige Schuld er schließlich erlässt.
  • In der zweiten Szene (VV.28-30) tritt der Knecht, dem gerade die Schuld erlassen wurde, nun seinerseits als Gläubiger auf, der aber auf der Einklagung der Schulden beharrt.
  • In der dritten Szene (VV.31-34) wird der erste Knecht nun wieder in der Rolle des (begnadigten) Schuldners seinem ehemaligen Gläubiger vorgeführt.

Bildebene

Die ersten beiden Szenen sind sorgfältig aufeinander abgestimmt. In der ersten erhält ein Knecht, der mit einer unvorstellbar hohen Summe in der Kreide steht, überraschend einen Schuldenerlass. In der zweiten Szene findet ein Rollenwechsel statt: Der ehemalige Schuldner tritt nun als Gläubiger auf, allerdings in einem wesentlich unbedeutenderen Fall (100 Denare). Ein anderer Knecht erscheint in der Rolle des Schuldners – und verhält sich genauso wie der erste Knecht in der Szene zuvor (vgl. V.29 mit V.26).

Dennoch ist dessen Reaktion ganz anders als die des Königs; er lässt seinen Mitknecht in Schuldhaft werfen. Deutlich sind die beiden Szenen so erzählt, dass die Hörer den Schluss ziehen: Dieses Verhalten ist unerhört. So werden sie vorbereitet auf die Reaktion des Königs, der seinen Schuldenerlass zurücknimmt. Als Pointe ergibt sich:

►Der selbst (in überreichem Maß) erfahrene Schuldenerlass muss zu ebensolchem Verhalten einem Schuldner gegenüber führen, sonst erfolgt die Rücknahme des Erlasses.

Sachebene

Diese Pointe lässt sich beziehen auf die Verkündigung Jesu vom zuvorkommend gütigen Gott, der den Menschen ihre Verfehlungen vergibt. Der Annahme durch Gott muss aber auch ein ebensolches Verhalten den Mitmenschen gegenüber entsprechen: Umkehr ist die notwendige Konsequenz, sonst droht die Rücknahme der gnädigen Zuwendung Gottes.nach oben

III. Gerichtsmahnung

Die zwei Dimensionen des Gerichts

Auch in anderen Zusammenhängen als dem gerade besprochenen Gleichnis ist in der Jesustradition die Rede vom Gericht, und dies nicht nur vereinzelt. Das Thema ist zu häufig belegt, als dass man es aus der Verkündigung Jesu heraushalten könnte. Grundsätzlich kommt das Gericht in zwei Dimensionen zum Tragen:

  • im Zusammenhang verweigerter Umkehr wie im Gleichnis vom unbarmherzigen Schuldner;
  • als Kehrseite des Heilsangebotes: Wer sich diesem Angebot verweigert, zieht sich das Gericht zu, schließt sich aus von der Rettung durch Gott.

Gerichtsworte als Mahnung

Gerichtsworte beschreiben keine künftigen Abläufe. Wenn die Rede ist vom Hinauswerfen in die äußerste Finsternis, von Heulen und Zähneknirschen, in Stücke reißen, unauslöschlichem Feuer o.ä., werden Bilder verwendet, die den Ernst der Lage vor Augen führen sollen. Gerichtsaussagen wollen in erster Linie mahnen. Pointiert könnte man formulieren: Gerichtsaussagen werden getroffen, um zu vermeiden, dass das geschieht, wovon sie handeln. Sie rufen die Hörer dazu auf, alles zu tun, damit das Gericht nicht eintritt.

Dies wird besonders deutlich, wenn man einmal das Neue Testament im Ganzen in den Blick nimmt. Wenn man die Gerichtsaussagen unter dem Aspekt künftiger Ereignisse betrachtet, lassen sie sich gar nicht miteinander vereinbaren. Zu unterschiedlich sind die Szenarien.

  • Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Die Ereignisse vor der Wiederkunft Christi schließen in manchen Texten Katastrophen im Sinne apokalyptischer Tradition ein; andere dagegen verzichten darauf. Paulus weiß nichts von »endzeitlichen Wehen«, wenn er auf die Vollendung in der (nahen) Zukunft blickt. In Mk 13,24-27 dagegen hören wir von kosmischen Katastrophen, dem Verfinstern von Sonne und Mond, dem Herabfallen der Sterne, zuvor schon von Kriegen und Hungersnöten. Solche Widersprüche auf der »Geschehensebene« können auch innerhalb ein und derselben Schrift begegnen.

Man kann also nicht aus den ntl Gerichtstexten folgern, es müsse, weil in ihnen davon die Rede ist, einen Unheilsort und Verdammte geben. Diese Frage bleibt theologisch offen. Die Hölle kann leer sein, auch wenn in Mt 25,31-46 von denen die Rede ist, die ins »ewige Feuer« gehen.nach oben

IV. Inhaltliche Entfaltung der Umkehrforderung

Was Umkehr näherhin für das Handeln bedeutet, wird in jenen Stoffen entfaltet, die auf das Handeln der Jesusjünger zielen. Da dies an anderer Stelle ausführlich besporchen wird, genügt hier der Hinweis.