Bibelstudium
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Von Reimarus über Schweitzer bis Käsemann

I. Von Reimarus bis Schweitzer   II. Abkehr von der historischen Rückfrage nach Jesus: Formgeschichte

III. Die »Neue Frage nach dem historischen Jesus«

I. Von Reimarus bis Schweitzer

Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung begann mit Hermann Samuel Reimarus, dessen Werk von G.E. Lessing 1774–78 herausgegeben wurde – als »Fragmente eines Wolfenbüttelschen Ungenannten«. Reimarus unterschied prinzipiell zwischen der Lehre Jesu und der Apostel. Jesus habe keine hohen Glaubenslehren gepredigt, sondern in Übereinstimmung mit den damaligen religiösen Überzeugungen des Judentums vor allem Moral verkündet sowie das Kommen eines messianisch-politischen Reiches.

Die liberale Leben-Jesu-Forschung

Dagegen wollte die liberale Leben-Jesu-Forschung des 19. Jahrhunderts den Glauben an Jesus Christus durch historische Jesusforschung neu begründen. Man suchte nach den Quellen für die Geschichte Jesu, um diese objektiv, wie man meinte, zu rekonstruieren. Tatsächlich wurde das Jesusbild eher nach dem Persönlichkeitsídeal des jeweiligen Forschers gestaltet. Die Lücken, die die Quellen ließen, wurden aktualisiert entsprechend den Moralvorstellungen des 19. Jh.s.

David Friedrich Strauß

Eine Sonderstellung in der Jesusforschung des 19. Jahrhunderts nimmt David Friedrich Strauß ein, der 1835/36 ein zweibändiges »Leben Jesu« - Buch veröffentlichte. Bedeutsam ist sein Werk vor allem durch eine neue Auslegung der neutestamentlichen Wundergeschichten. Strauß wandte sich gegen die rationalistische Wunderdeutung, die alles Wunderbare aus den Erzählungen eliminierte und etwa die Geschichte vom Seewandel Jesu auf eine optische Täuschung der Jünger zurückführte. Strauß dagegen verstand in seiner mythischen Deutung die Wundergeschichten als erzählerischen Ausdruck von Ideen, die in der menschlichen Vernunft begründet waren. Der Glaube an Christus ist letztlich zurückzuführen auf die Idee, die die menschliche Vernunft vom Verhältnis des Menschen zu Gott hat.

Albert Schweitzer

Bei der Suche nach den ältesten Quellen wurden im Zuge der liberalen Leben-Jesu-Forschung wichtige Einsichten gewonnen, auf denen die Zwei-Quellen-Theorie fußt. Die Überforderung dieser Quellen in dieser Forschungsphase hat allerdings Albert Schweitzer in seiner »Geschichte der Leben-Jesu-Forschung« aufgezeigt. Sein vielzitiertes Fazit lautet:

»Es ist der Leben-Jesu-Forschung merkwürdig ergangen. Sie zog aus, um den historischen Jesus zu finden, und meinte, sie könnte ihn dann, wie er ist, als Lehrer und Heiland in unsere Zeit hineinstellen. Sie löste die Bande, mit denen er seit Jahrhunderten an den Felsen der Kirchenlehre gefesselt war, und freute sich, als wieder Leben und Bewegung in die Gestalt kam und sie den historischen Menschen Jesus auf sich zukommen sah. Aber er blieb nicht stehen, sondern ging an unserer Zeit vorüber und kehrte in die seinige zurück« (Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 21913, 631).nach oben

 II. Abkehr von der historischen Rückfrage nach Jesus: Formgeschichte

Forschungsgeschichtlich ergab sich in der Folge die Abwendung von der historischen Rückfrage nach Jesus. In der Methode der Formgeschichte, die sich nach dem 1. Weltkrieg in der neutestamentlichen Forschung entwickelte und durchsetzte, wurde der Charakter dieser Quellen näher untersucht, und man erkannte: Die Evangelien gehen zurück auf eine schon theologisch geprägte mündliche Überlieferung. Ihr ging es nicht um zuverlässige Sicherung historischer Fakten, sondern um den Glauben an Jesus Christus in den verschiedenen Bereichen des Gemeindelebens: Mission, Liturgie, Katechese usw.nach oben

III. Die »Neue Frage nach dem historischen Jesus«

Die Jesusfrage ließ sich aber nicht dauerhaft ausblenden. In den 1950er Jahren kam die Reaktion auf die Abwendung vom Jesus der Geschichte mit der so genannten »Neuen Frage nach dem historischen Jesus«, die von Ernst Käsemann angestoßen wurde. Neu war diese Frage insofern, als man sie nun unter Berücksichtigung der Erkenntnisse stellen wollte, die in der bisherigen Forschung gewonnen wurden – vor allem der Formgeschichte. Man versuchte nun also nicht mehr, ein Leben Jesu (im Sinne einer Biographie) zu schreiben; aber man glaubte doch, wesentliche Elemente der Verkündigung Jesu rekonstruieren zu können. Man hielt es nun für möglich und geboten, durch den Glauben der Gemeinde hindurch zum historischen Jesus vorzustoßen.