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Das »historische Plausibilitätskriterium«

In der neueren Forschung hat Gerd Theißen versucht, die in der dritten Runde der Rückfrage entwickelten Kriterien im »historischen Plausibilitätskriterium« in ein methodisches System zu bündeln.

Das »historische Plausibilitätskriterium« besteht aus vier Elementen, von denen, wie in einem Koordinatensystem, jeweils zwei aufeinander bezogen werden. Auf der einen Seite stehen Kontextplausibilität (bezogen auf das Verhältnis Jesu zu seiner jüdischen Umwelt) und Wirkungsplausibilität (bezogen auf das Verhältnis Jesu zum Urchristentum). Zu beiden Größen tritt Jesus in eine doppelte Beziehung: er stimmt in manchem mit ihnen überein, und in manchem stimmt er nicht überein. Ein Gesamtbild des historischen Jesus muss also

  • mit dem Judentum im Galiläa des 1. Jh. vereinbar sein (Kontextentsprechung); zugleich muss Jesus innerhalb dieses Rahmens als individuelle Erscheinung unterscheidbar sein (kontextuelle Individualität). Ein Gesamtbild muss außerdem
  • die Nachwirkung Jesu im Urchristentum erklären können. Übereinstimmungen in unterschiedlichen Überlieferungen, Traditionsschichten und Gattungen sind angesichts der Pluralität im Urchristentum am besten auf Jesus zurückzuführen (Quellenkohärenz); dasselbe gilt für die Traditionen, die den spezifisch urchristlichen Interessen widerstreiten und dennoch überliefert werden (Tendenzwidrigkeit)
  Übereinstimmung Nicht-Übereinstimmung
historische Wirkungsplausibilität

(Jesus und das Urchristentum)

Quellenkohärenz

  • Querschnittsbeweis

  • Gattungsinvarianz

  • Mehrfachbezeugung

Tendenzwidrigkeit

historische Kontextplausibilität

(Jesus und das Judentum)

kontextuelle Korrespondenz

kontextuelle Individualität

  • Vergleichsprofil

  • Besonderheitsindizien

  • individuelle Komplexität

 Das »historische Plausibilitätskriterium« systematisiert auf beeindruckende Weise die Kriterien der Rückfrage. Es überwindet aber das Differenzkriterium nicht. Dieses erscheint unter den Namen von »Tendenzwidrigkeit« und »kontextueller Individualität«. Auch sonst begegnen alte Bekannte unter neuem Namen: die Kriterien der mehrfachen Bezeugung und der Kohärenz unter den verschiedenen Aspekten der »Quellenkohärenz«.