Zur Theologie des Markus-Evangeliums
I. Markinische Kreuzestheologie II. Jüngerbild III. Glaube IV. Universale Ausrichtung
I. Markinische Kreuzestheologie
Der Weg Jesu ist in der markinischen Erzählung deutlich auf das Kreuz hin ausgerichtet. Dies wird zum einen durch ausdrückliche Vorverweise auf den Tod Jesu erreicht.
- Der frühe Todesbeschluss Mk 3,6 nach einer Reihe von Streitgesprächen.
- Die Leidensankündigungen nach dem Messiasbekenntnis (8,31; 9,31; 10,32-34).
Zum andern lässt sich aus einer Reihe von Erzählmotiven und -strukturen ein theologischer Grundgedanke erschließen, der in der Forschung mit dem Begriff »Messiasgeheimnis« belegt wurde. Diesen Gedanken kann man folgendermaßen zusammenfassen:
► Die eigentliche Würde und Bedeutung Jesu darf nicht offenbar werden bis zu Tod und Auferstehung Jesu, denn erst vom Kreuz her kann Jesus angemessen verstanden werden.
Die einzelnen Elemente, durch die diese theologische Aussage des Messiasgeheimnisses erreicht wird, können in drei Punkten gebündelt werden:
Schweigegebote an
- Geheilte und Zeugen einer Heilung (z.B. 1,44; 5,43)
- Dämonen (z.B. 1,34; 3,11)
- Jünger (8,30; 9,9) – mit dem Schlüssel zum Verständnis der Schweigegebote: Sie gelten bis zur Auferstehung Jesu.
Jüngerunverständnis: Häufig werden die Jünger so dargestellt, dass sie Jesus nicht verstehen (z.B. 4,40; 8,17-21; 9,10). Dies liegt nicht an minderer intellektueller Begabung, sondern daran, dass sie den Weg Jesu noch nicht bis zum Ende mitgegangen sind.
Spannungsbogen der Offenbarung Jesu als Sohn Gottes:
- Nach der Taufe (1,11): Allein Jesus ist Adressat der Offenbarung
- Bei der Verklärung (9,7): Ausgewählte Jünger sind Zeugen, müssen von dem Erlebten aber schweigen (9,9; s.o.)
- Unter dem Kreuz (15,39): Der heidnische Hauptmann bekennt Jesus als »(einen) Sohn Gottes«, als er Jesus »so (=mit einem Schrei) sterben sah«.
Die Leser erfahren schon früh von der wahren Bedeutung Jesu, zugleich aber davon, dass diese Bedeutung nicht bekannt werden soll (durch die Schweigegebote). Erst nach seinem Tod kann Jesus offen als Sohn Gottes bekannt werden: Das Bekenntnis des römischen Hauptmanns unterliegt keinem Schweigegebot mehr.nach oben
II. Jüngerbild
Die Jünger erscheinen nicht nur unter dem negativen Aspekt des Unverständnisses, sondern auch als diejenigen, die in die Nähe Jesu gerufen werden.
- Dies gilt in besonderer Weise für die Zwölf (3,13-19; 6,7-13; 14,17-50) und den Kreis von drei bzw. vier eigens herausgehobenen Jüngern: Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas (1,16-20; 5,37; 9,2; 13,3; 14,33).
- Gerade die besonders Ausgezeichneten sind aber auch die besonders Gefährdeten (8,32f; 10,35-45; 14,37f.40.41.66-72).
Die Jünger sind nicht nur Größen der Vergangenheit, sondern auch Typen der Glaubenden, die in denselben Gefährdungen stehen wie die Jünger, vor allem im Blick auf das Unverständnis dem Leidensgeschick Jesu gegenüber. Vor allem im mittleren Teil (8,27-10,52) sind die Stoffe entfaltet, die besonders auf die Adressaten des Werks zielen (M. Ebner).
- Dass hier das rechte Verständnis des Weges Jesu und der Nachfolge eröffnet werden soll, zeigen die beiden (metaphorisch zu deutenden) Blindenheilungen, die diesen Teil rahmen (8,22-26; 10,46-52). Es sollen die Augen geöffnet werden für die Kreuzesnachfolge (10,52).
- Im Aufbau zeigt sich ein wiederkehrendes Schema, das zwar nicht alle Inhalte erfasst, aber den Mittelteil doch entscheidend prägt: Leidensankündigung / Unverständnis der Jünger / Belehrung zur Nachfolge (8,31- 38; 9,31-37; 10,32-45).
- Außerdem kann die Belehrung Jesu an einer bestimmten Szene anknüpfen: Verklärung (9,2-10); Dämonenaustreibung (9,14-27); Streitgespräch um die Ehescheidung (10,2-9); verweigerte Nachfolge (10,17-22).nach oben
III. Glaube
Wenn ausdrücklich vom Glauben die Rede ist, hat Mk sicher auch die Adressaten unmittelbar im Blick. Dieses Thema erscheint in mehreren Zusammenhängen:
- in der Zusammenfassung der Botschaft Jesu (1,15);
- negativ in der Verweigerung Jesus gegenüber (3,5; 6,6, auch 3,22-30; 8,11-13);
- positiv im Glaubensaufruf (9,23; 11,20-25) und dem Glauben, auf den Jesus trifft (2,5; 5,34; 10,52).
IV. Universale Ausrichtung
Sie zeigt sich in ausdrücklichen Ankündigungen: das Evangelium wird »allen Völkern« (13,10) bzw. »auf der ganzen Welt« (14,9) verkündet werden. Auch erzählerisch wird diese Ausrichtung umgesetzt: Heilung einer Heidin (7,24-30); Tempel als Bethaus für alle Völker (11,17); heidnischer Hauptmann mit Gottessohn-Bekenntnis (15,39).